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Ziiiiiiiiieeeeh. Die Skispringerin Eva Pinkelnig hat eine erstaunliche Karriere hingelegt.

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Skispringerin Eva Pinkelnig kämpft: „Das Hirn war viel länger angeschwollen, als es hätte sein dürfen“

Die Skispringerin schaffte ein starkes Comeback. Dabei wurde Eva Pinkelnig lange nicht ernst genommen, weil sie ihre Karriere so spät begann.

Es wäre jetzt vielleicht an der Zeit, dass sich einige Menschen in aller Form bei Eva Pinkelnig entschuldigen. Dafür, dass sie die Skispringerin abgeschrieben haben. Nicht nur einmal wurde Eva Pinkelnig mitgeteilt: Bleib liegen, es bringt nichts mehr. Andere sagten ihr ins Gesicht: Dir fehlen die Basics, du hast das Skispringen als Kind nicht gelernt. Nicht zu vergessen die Gesundheitstipps: Deine neurologischen Schäden sind zu groß, das Skispringen wird nie wieder gehen.

„Das habe ich sicher hunderte Male gehört“, berichtet Eva Pinkelnig. „Es hat im Österreichischen Skiverband niemanden gegeben, der noch an mich geglaubt hat.“ Das sagt jene Frau, die inzwischen so etwas wie die heimliche First Lady im Frauen-Skispringen ist.

Schweres Schädel-Hirn-Trauma

Im Januar hat sie drei Wettbewerbe gewonnen und liegt im Gesamtweltcup nur 36 Punkte hinter der norwegischen Leaderin Maren Lundby liegt. Am Samstag beim Weltcup in Oberstdorf schauten wieder alle auf die Österreicherin, die auf dem vierten Platz landete.

Gottlob hat Eva Pinkelnig all die gut gemeinten Ratschläge in den Wind geschlagen. Trotzdem verteidigt die 31-Jährige heute all die Skeptiker: „Das ist nur zutiefst menschlich. Und wahrscheinlich hatten sie damals sogar Recht.“ Vor drei Jahren konnte ja auch wirklich keiner ahnen, dass Eva Pinkelnig in ihrem Leben noch einmal über eine Schanze springen würde.

Zwei fatale Stürze hatte sie da gerade hinter sich, die Ärzte diagnostizierten ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. „Das Hirn war viel länger angeschwollen, als es hätte sein dürfen“, erzählt Eva Pinkelnig. Nach den Stürzen litt sie unter massiven neurologischen Problemen. „Meine linke Seite hat einen Schaden abbekommen, bei mir hat es die Augenpartie erwischt. Bei 60 km/h haben meine Augen abgeschaltet. Das kannst du nicht haben, wenn du mit 90 km/h auf den Schanzentisch zurast und nichts siehst.“

Aber noch weit besorgniserregender waren die Ergebnisse ihrer Gehirnuntersuchungen. „Es waren Anzeichen von Alzheimer da“, erzählt Eva Pinkelnig, „mein Hirn hat Strukturen aufgewiesen, die jemand in meinem Alter eigentlich nicht haben dürfte.

Ganz oben. Im Januar gewann Pinkelnig (M.) das Springen in Sapporo.

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Ab dem Zeitpunkt ging es mir nur noch darum, wieder gesund zu werden.“ Die Vorarlbergerin nahm Geld in die Hand und konsultierte einen Spezialisten, der ihre neurologischen Defizite wieder in den Griff bekam. Mit Erfolg, wie sie heute weiß: „Ich habe mir viel wieder antrainieren können.“

Noch heute ist sie entsetzt darüber, dass sie nach dem ersten schweren Sturz in Ramsau gleich wieder über die Schanze ging: „Der Sturz ist damals bagatellisiert worden.“ Mehrere Wochen lang war sie trotz ihrer schweren Gehirnerschütterung im Weltcup unterwegs, ehe sie kurz vor Weihnachten in Oberstdorf erneut stürzte.

„Ich weiß von dieser Zeit nichts mehr. Ich war in Nischnij Tagil und kann mich daran nicht erinnern“, sagt sie. „Gott hat seine Hand über mich gehalten. Sonst hätte das anders ausgehen können.“

Jeder hätte es verstanden, wenn Pinkelnig die Karriere beendet hätte. Keiner hätte es ihr verübeln können, wenn sie am Boden geblieben wäre. Doch das würde nicht zu ihr passen. „Das Kämpfen liegt in meiner Natur“, sagt sie. „Deshalb bin ich nach jedem Fußtritt wieder aufgestanden.“ Denn diese Eva Pinkelnig ist noch nie den leichtesten Weg gegangen.

Mit 24 Jahren das erste Mal auf der Schanze

Sie ist, wenn man so will, Skispringerin auf dem dritten Bildungsweg. In ihren Jugendjahren war sie noch als Skirennläuferin unterwegs, dann ließ sie sich zur Freizeitpädagogin ausbilden und arbeitete mit Kindern und Jugendlichen.

Erst im Alter von 24 Jahren wagte sie sich bei einem Kinderskispringen das erste Mal über eine Schanze. Als sie 2014 im Weltcup auftauchte, bekam sie deshalb den Kosenamen Ufo. Weil niemand mit dem Unbekannten Flugobjekt etwas anfangen konnte.

Mittlerweile hat sich Eva Pinkelnig längst einen Namen gemacht. Mehr als ihre Erfolge und weiten Sprünge hat sich aber ihre gute Laune eingeprägt. Ihr Dauergrinser, mit dem sie oben auf dem Zitterbalken sitzt, ist nicht nur ihr Markenzeichen geworden, er ist auch die perfekte Reaktion auf all jene Experten, die sie oft belächelt haben. Wie meint doch Eva Pinkelnig: „Ich habe schon viel mehr erreicht, als mir die Leute zugetraut haben.“

Christoph Geiler

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