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Sport: Den Ball flach halten

Bolls Sieg über Ma Lin ist ein Triumph der Taktik

Am späten Mittwochabend hat Timo Boll ein besonders kostbares Sammlerstück gewonnen. Vier hatte er erst davon, 13 Mal hatte er dagegen vergeblich versucht, es zu bekommen. Aber für einen Sieg gegen den Chinesen Ma Lin, den Olympiasieger von 2008 im Tischtennis-Einzel, muss Boll schon seinen höchsten Einsatz bieten. Vor allem schnellstes Tempo beim Laufen, beim Schlagen und beim Denken, wohin er den Ball am besten spielen soll. Das ist dem Weltranglistenzweiten Boll im Finale des Volkswagen-Cups in Braunschweig eindrucksvoll gelungen, mit einem 4:1-Erfolg.

Nachdem Boll den letzten Punkt gemacht hatte, schüttelten sich zwei überraschte Spieler die Hand. Boll, der nicht daran geglaubt hatte, in diesem Jahr noch einmal zu einer solchen Form aufzulaufen. Und Ma Lin, der von Bolls dynamischem und klugem Spiel einfach überrumpelt worden war. Wohl keiner auf der Welt spielt so hart und gnadenlos wie Ma Lin. Über jeden nicht ganz perfekt platzierten Ball drischt er mit seiner Vorhand wie mit einer Sense über zu hoch gewachsenes Gras. Boll streute jedoch die Bälle flach genug über den Tisch.

5:13 lautet also jetzt seine Bilanz gegen Ma Lin. „Es war mal wieder wichtig, gegen einen der besten Chinesen gewonnen zu haben“, sagte Boll, der durch den Erfolg im Januar auf Platz eins der Weltrangliste rücken wird. Zwischen diesem Sieg und einer besonders frustrierenden Niederlage liegen gerade einmal wenige Wochen. Beim World Cup in Magdeburg hatte er sich Weltmeister Wang Hao aus China 1:4 geschlagen geben müssen, und zu keinem Zeitpunkt schien Boll eine wirkliche Chance zu haben. Die Chinesen hatten ihren gefährlichsten Verfolger Boll wieder einmal abgehängt. Boll wirkte erschöpft in Magdeburg. Doch vier Wochen Pause haben eine erstaunliche Wirkung gezeigt.

Boll braucht offenbar vor allem die geistige Frische, um sein bestes Tischtennis zu spielen. „Die Konzentration war jetzt einfach besser, beim World Cup hatte ich zwar mehr spielerisches Feingefühl. Aber das nützt nichts, wenn ich stets falsche taktische Entscheidungen treffe.“ Den Ideenwettbewerb gegen Ma Lin hat Boll in Braunschweig jedenfalls klar gewonnen. Er gewann die kleinen Punkte, also die kurzen Ballwechsel, die durch einen guten Aufschlag oder Rückschlag entschieden werden. Und die langen Ballwechsel, in denen beide den Ball mit viel Wucht und Rotation auf die Tischhälfte knallen, bis einem der Endschlag gelingt. 1700 Zuschauer hatten ihre Freude. „Ich habe meinen Spielwitz wiedergefunden“, sagte Boll.

Die wichtigen Spiele hatte Boll zwar zuletzt gegen Ma Lin verloren, etwa das im Finale der Mannschafts-WM 2009. Dafür scheint er immer dann besonders stark zu sein, wenn es ums große Geld geht. Im Finale der Katar Open im Februar 2009 hatte Boll Ma Lin zuletzt bezwungen, dafür gab es für Tischtennisverhältnisse enorme 30 000 Dollar. Beim Volkswagen Cup konkurrierten weniger Spieler um noch mehr Geld, Boll bekam für seinen Sieg 50 000 Dollar und ein Auto. Ein unbezahlbares Stück fehlt Boll allerdings noch, eine Einzelmedaille bei einer WM oder bei Olympia. Im Mai will er bei der WM dafür sein nächstes Gebot abgeben.

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