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Turn-Europameisterschaft: Den Star verdrängt
So einen Erfolg hat es für die deutschen Turner selten gegeben. Fahrig gewinnt bei der Turn-Europameisterschaft Gold und Silber – Hambüchen, Boy und Nguyen holen jeweils Bronze.
Beflügelt vom Teamgold, das die deutsche Mannschaft in der 55-jährigen Geschichte bei Europameisterschaften am Samstag erstmals errungen hatte, legten sie am Sonntag in den Gerätefinals noch einmal kräftig nach. Und gewannen ein weiteres Gold, einmal Silber und dreimal Bronze. Die insgesamt sechs Medaillen in Birmingham sind das beste Ergebnis für die deutschen Turner seit 21 Jahren.
Glanzstück des Sonntags war die Boden-Kür von Matthias Fahrig, mit der er seinem Teamkollegen und Freund Fabian Hambüchen den Titel entriss. Mit der schwierigsten Übung der Konkurrenz (Ausgangswertung 6,7) überzeugte der 24 Jahre alte Hallenser mit 15,65 Punkten. „Ich bin dermaßen glücklich, alles hat gepasst“, sagte er nach seinem zweiten EM-Gold. Fabian Hambüchen nahm die Niederlage mit Fassung. „Es war geil“, sagte er, „der Titel ist im Lande geblieben, das war wichtig.“
Nur eine Stunde später demonstrierte Fahrig auch am Sprung als Zweitplatzierter sein Können und stellte als erfolgreichster Athlet der Titelkämpfe selbst Hambüchen in den Schatten. „Heute Abend werde ich total ausrasten, da werde ich den Cheftrainer um den Verstand bringen“, sagte der extrovertierte Turner.
Hambüchen strahlte zwar nicht die Souveränität vergangener Jahre aus, überzeugte aber am Reck, auch wenn es nicht zum vierten Titel reichte. Gemeinsam mit dem Cottbuser Philipp Boy kam er zu Bronze. „Ich bin froh, dass jetzt alles vorbei ist“, sagte Hambüchen.
Als Mannschaft hatten die deutschen Turner am Vortag Gold gewonnen. Nach 18 Übungen ohne Absteiger lagen sie so deutlich mit 266,150 Punkten vor Großbritannien (263,025) und Frankreich (260,100), dass es sie nur wenig störte, dass Titelverteidiger Russland wegen des Flugverbots und Visa-Problemen nicht dabei war. „Wir haben als Mannschaft überzeugt, das war supergeil“, sagte Hambüchen. Er räumte ein, sich durch den Stress in vergangenen Jahren zuletzt etwas leer gefühlt zu haben. „Die Fuß- Verletzung vor der WM in London war ein Warnsignal, künftig etwas kürzer zu treten.“ Mehr Punkte zum sensationellen Teamergebnis steuerte diesmal Marcel Nguyen bei. Der 22-jährige Unterhachinger hat im zurückliegenden Winter den größten Sprung nach vorn gemacht und unterstrich dies mit Bronze am Boden, und zwei sechsten Plätzen am Sprung und an den Ringen. „Ich hatte am Boden zwei kleine Fehler – aber ich habe eine Medaille, was will ich mehr?“, sagte er.
Cheftrainer Andreas Hirsch sah man auch am Sonntag nur noch strahlen. Am Vortag hatte er jeden seiner Turner bereits glückselig in die Arme genommen, „Alle haben sich in den Dienst der Mannschaft gestellt, dieses Wir-Gefühl hat uns vorangetrieben“, sagte der Berliner. Und Präsident Rainer Brechtken sagte: „Auch die Russen hätten es gegen uns heute sehr schwer gehabt.“ (dpa)