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Sport: Der Adel kommt per Hubschrauber

Auf der Galopprennbahn Iffezheim sind die Rennen die schönste Nebensache des Tages

Baden-Baden. „Komm Mistral, komm Mistral.“ Ein älterer Mann im grauen Anzug ist aufgesprungen und steht nun mit den Füßen auf seinem Sitz auf der Klubtribüne der Galopprennbahn Iffezheim. Sein Gesicht hat sich dunkelrot verfärbt, mit seiner linken Hand macht er Bewegungen, als versuche er, das Pferd auf der Bahn förmlich ins Ziel zu schieben. „Komm Mistral, komm.“

Der braune Hengst mit der Nummer acht bebt unter seinem Jockey und schafft es um Nasenlänge als Erster ins Ziel. Er ist der große Außenseiter des zweiten Rennens und hat zusammen mit dem ebenfalls unerwarteten Zweitplatzierten für eine hohe Quote in der Dreierwette gesorgt. „Großer Einlauf“, ruft der Mann auf der Tribüne euphorisch. So laut, dass es alle im Umfeld wahrnehmen müssen. Die Damen drehen ihre Köpfe mit den bunten, großen Hüten zu dem Schreihals, reagieren amüsiert. Pikiert ist hier keiner. Auf der Nobelrennbahn unweit von Baden-Baden ist Ekstase selbst unter den Reichen und Adligen erlaubt. Es geht ja ums Wetten - ums große Geld. Der Mann hat gerade etwas über 5000 Euro gewonnen.

Der Moment des Zieleinlaufs ist der einzige hektische Moment auf der Bahn. Zwischen den Rennen schlendern die 30 000 Besucher gelassen durch das parkartige Gelände. Die Wege mit ihren Blumenbeeten erinnern ein wenig an den Kurgarten von Baden-Baden. Alte Paare sitzen auf Bänken, schauen auf die flanierenden Damen mit den ausgefallenen Kostümen. Die Stände mit Champagner und Austern sind dicht umlagert. Die Gelassenheit, aber auch die Hitze geben der Atmosphäre auf der Bahn ein gewisses französisches Flair. Es fällt schwer in diesem Ambiente an die Wirtschaftskrise in Deutschland zu denken. Wenn es einen Faktor für gefühlten Wohlstand gäbe, dann würde er auf der Rennbahn Iffezheim den Höchstwert erreichen. Von Krise keine Spur.

Wie der Sohn, so der Vater

Ein Großteil des Publikums erscheint edel gekleidet. Selbst kleine Jungs tragen schon Anzug und Krawatte. Der zwölfjährige Tom trägt sogar einen Schlapphut und läuft stolz hinter seinem Vater her. Der trägt das gleiche Modell Hut, nur ein paar Nummern größer. Die Mutter hat einen cremefarbenen Hut mit Federn als Kopfbedeckung ausgewählt - er ist so groß wie eine italienische Pizza. Das Outfit des Jungen wirkt in diesem Umfeld normal. Die drei großen Parkplätze sind voll gestellt mit Luxuskarossen.

Hier aufzufallen, ist nicht leicht. Deshalb lassen sich die Superreichen und manche Vip-Gäste mit einem Sonderservice zur Galopprennbahn bringen. Sie landen mit dem Hubschrauber einfach im Innenraum der Bahn. Mehrfach setzt der blaue Helikopter weniger Meter vor der Haupttribüne auf und entlässt aus seinem Bauch unter anderem die Familie von Baden. Das Adelshaus ist am letzten Tag des Herbst-Meetings fast vollzählig erschienen. Familienoberhaupt Max von Baden ist Schirmherr für den Renntag um den Großen Preis mit dem Namen seines Hauses, sein Sohn Bernhard ist der Präsident des Internationalen Clubs.

Zweimal im Jahr erwacht die Bahn westlich von Baden-Baden zum Leben. Jeweils für eine Woche im Frühjahr und im Herbst öffnet die Bahn ihre Tore und wird an den sechs Renntagen zum gesellschaftlichen Hochereignis. Die „Große Woche“ im September ist neben der Derbywoche zudem das wichtigste Ereignis im deutschen Galoppsport. Der Große Preis von Baden ist das wichtigste Grand-Prix-Rennen in Deutschland und das einzige in der Weltmeisterschafts-Serie der Galopper. Rund 800 000 Euro teilen sich die neun Pferde, die in diesem Jahr an den Start gegangen sind. Allein 500 000 Euro gingen an den Sieger Mamool und damit an den Stall Godolphin der Scheichfamilie von Dubai. Frankie Dettori, der derzeit beste Jockey der Welt, setzte sich im Endspurt unter dem Jubel der Zuschauer knapp gegen Black Sam Bellamy durch und hüpfte nach dem Rennen mit seinem berühmten Sprung aus dem Sattel.

Im Publikum kehrte danach schnell die Gelassenheit zurück.

Ingo Wolff

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