Sport: Der erste Titel
Die Handballer des HSV Hamburg holen erstmals in ihrer jungen Vereinsgeschichte den Pokal
Sechs Sekunden vor Schluss erreichte die Hektik ihren Höhepunkt. Die Handballer des HSV Hamburg leisteten sich einen Wechselfehler, bekamen dafür eine Zeitstrafe, und ermöglichten so der SG Kronau-Östringen noch ein Überzahlspiel. Die Badener konnten sogar zwei Feldspieler mehr aufbieten, denn sie ersetzten ihren Torhüter durch einen weiteren Feldspieler. Es nützte ihnen nichts, Andrej Sinjak scheiterte am überragenden HSV-Torhüter Goran Stojanovic, und der HSV Hamburg holte sich durch ein 26:25 (9:10) gegen Kronau-Östringen zum ersten Mal den deutschen Handballpokal.
Die Hamburger Spieler lagen nach dem Schluss zunächst alle übereinander, dann lief der lange Nationalspieler Pascal Hens zu seinen Fans und ließ sich auf der Bande feiern. Die meisten der 13 000 Zuschauer in der Color-Line-Arena feierten ihr Team. „Es war ein so wunderschöner Augenblick, Pokalsieger zu sein und derart in der eigenen Halle gefeiert zu werden“, sagte Hens, „das erlebt man nur ganz selten.“ Mit sieben Treffern hatte er wesentlich zum Erfolg der Hamburger Handballer beigetragen.
Enttäuscht ließen dagegen die Kronauer die Köpfe hängen, die am Vortag den Meister THW Kiel so glanzvoll ausgeschaltet hatten. Auch im Finale stand die Mannschaft des Bundesliga-Aufsteigers vor der großen Überraschung. Doch der HSV war vor allem in der Deckung gewappnet. Die Brüder Bertrand und Guillaume Gille standen in der Deckung sicher, so dass Andrej Klimowets am Kreis in der ersten Halbzeit kein Treffer gelang. So war das Spiel des Bundesligasiebten für den HSV gut ausrechenbar. „Unsere Abwehr stand da wirklich gut, aber im Angriff zeigten wir zu wenig Durchschlagskraft“, sagte Hamburgs Trainer Martin Schwalb über die erste Halbzeit. Diese endete mit einem 10:9 für Kronau-Östringen. Ein Ergebnis, das eigentlich im modernen, temporeichen Angriffs-Handball nicht mehr sehr oft vorkommt. Die niedrige Trefferzahl lag vor allem an Kronau-Östringen, denn Trainer Juri Schewzow hatte seine Männer auf ruhige, ausgespielte Angriffe eingestellt. Dieses Konzept ging lange auf.
Beim 17:20 in der 47. Minute schien es schon, als würde dem Außenseiter tatsächlich sein zweiter Coup gelingen. Da streckte Steffen Ahrens den mit voller Wucht angreifenden Hens nieder und bekam dafür die Rote Karte. „Danach lief es bei uns nicht mehr wie gewünscht“, sagte Schewzow, „da hatten wir auch nicht mehr so große Chancen.“ Schwalb, der seinen ersten Titel als Trainer des Tabellenzehnten erreichte, sah diesen Zeitpunkt ebenfalls als entscheidend an: „Da hat meine Mannschaft viel Charakter gezeigt.“ Es war genau zu dem Zeitpunkt, als die Stimmung in der Halle bereits zu kippen drohte. Aus dem Drei-Tore-Rückstand der Hamburger wurde ein Vorsprung (22:21, 53. Minute). Doch Kronau-Östringen gab nicht auf, verdiente sich höchste Anerkennung für die beiden starken Spiele im Final-Four-Turnier. „Aber was nützt uns das?“, sagte Schewzow hinterher, „wir sind sportlich sehr enttäuscht.“
Für den HSV Hamburg, der in Roman Pungartnik mit acht Toren seinen erfolgreichsten Werfer hatte, steht nach dem Pokalsieg eine internationale Zukunft im Europacup der Pokalsieger bevor. Gestern gab es noch eine große Feier auf dem Kiez in St. Pauli, und heute wird es auf dem Rathausplatz in Hamburg einen großen Empfang geben. „Wir werden jetzt mal zwei Tage etwas die Luft herausnehmen“, sagte Martin Schwalb. Nur für seine Nationalspieler wird das nicht zutreffen. Sie spielen über Ostern ein stark besetztes Turnier in Paris-Bercy, und im Hinblick auf die WM im Januar 2007 – mit Hamburg als einem der Spielorte – soll es kein Ausruhen geben. WM-Fluidum hatte bereits das bestens organisierte Final Four auch zu bieten.