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Sport: Der Frauenversteher

Turbines Trainer Bernd Schröder gilt als hart – doch beim Sieg im Uefa-Cup floh er vor seinen Gefühlen

Potsdam – Ein paar Minuten vor Spielende sangen Turbine Potsdams Fans fröhlich: „Wir wollen den Trainer sehen.“ Bernd Schröder war am Samstagnachmittag vom Spielfeldrand des Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadions verschwunden, er hatte sich kurz vor Ende des Uefa-Cup-Finales in die Kabine zurückgezogen. Nicht, weil er die Anspannung nicht mehr ertragen konnte. Potsdam führte gegen Djurgarden/Älvsjö aus Stockholm 3:1, nach dem 2:0 im Hinspiel war dem Team der größte Erfolg der Vereinsgeschichte nicht mehr zu nehmen. „Ich bin ein Mann, der sehr emotional ist, und musste mich erst mal sammeln und konzentrieren“, erzählte der 62-Jährige später. „Ich bin nicht Otto Rehhagel, der fünfmal hochspringt.“ Und schon gar nicht vor laufender Kamera. Emotionen sind gut, sie unter Kontrolle zu haben, ist besser.

Der Sieg ging Schröder, der Turbines Frauenmannschaft 1971 aufgebaut hat, näher, als er am Tag zuvor hatte zugeben wollen. „Am wichtigsten ist es, dass beide Mannschaften vor einer tollen Kulisse ein tolles Spiel mit einem souveränen Sieger liefern. Wir müssen immer darauf bedacht sein, Werbung für den Frauenfußball zu machen. Das ist immer noch eine Randsportart“, hatte er gesagt. Turbine war der gerechte Sieger und begeisterte obendrein vor der Potsdamer Rekordkulisse von 8664 Fans bis zum Abpfiff mit Offensivfußball.

Schröder gilt als harter Trainer, sein Konditionstraining in der Winterpause ist berüchtigt. Gegen Stockholm stand er brüllend an der Seitenlinie und pflaumte die zweifache Torschützin Conny Pohlers an, „nimm doch den Kopf hoch, die ganze andere Seite ist frei“ – und das so laut, dass die gesamte Haupttribüne es hören konnte. Ob er ein zweiter Eduard Geyer sei, wurde er nach dem Sieg gefragt. Schröder reagierte auf den Vergleich mit dem ehemaligen Trainer von Energie Cottbus schlagfertig: „Nein, Geyer war nach mir, ich war zuerst da.“

Der geschäftsführende DFB-Präsident Theo Zwanziger, der seine kleine Enkelin Paula zu Turbines tanzenden Spielerinnen aufs Siegerpodest stellte, verlieh Schröder nach dem Finale die DFB-Verdienstnadel. „Er lebt den Frauenfußball wirklich“, sagte Zwanziger. Das findet auch Spielführerin Ariane Hingst, die Schröder nach dem Abpfiff in die Arme gesprungen war: „Man verflucht ihn zwar auch mal, aber wenn wir scheiße spielen, stellt er sich schützend vor uns. Und wenn wir gut spielen, steht er im Hintergrund und sagt, das Team hat gespielt.“ Conny Pohlers sieht dagegen Kotrainer Dirk Heinrichs immer mehr in den Vordergrund treten, „er ist es, der präzise Anweisungen gibt“.

Noch freilich will Schröder „den Staffelstab nicht weitergeben“. Er hat noch einiges vor, wie er den Fans am Samstag vom Rathausbalkon zurief: „Die Landeshauptstadt hat die Wahl zur Kulturhauptstadt 2010 verloren, wir haben den Europapokal geholt. Jetzt verspreche ich euch den DFB-Pokal!“ Sollte Turbine am Samstag gegen den 1. FFC Frankfurt den Vorjahreserfolg wiederholen, wird Bernd Schröder vielleicht wieder vor seiner eigenen Rührung fliehen müssen.

Helen Ruwald[Potsdam]

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