Sport: Der große, stille Blonde repräsentiert das defensive Mittelfeld - auf und neben dem Platz
Die Kinder der Eheleute Ramelow sind recht unterschiedlich geraten. Auch was das Sendebedürfnis anbelangt.
Die Kinder der Eheleute Ramelow sind recht unterschiedlich geraten. Auch was das Sendebedürfnis anbelangt. Carsten hat es beruflich bis in die deutsche Fußballnationalmannschaft gebracht, Martina hat neulich bei einem Preisausschreiben der "Bild"-Zeitung gewonnen. Eine Sache, die dank ihres Mitteilungsbedürfnisses seit der gestrigen Pressekonferenz im Trainingscamp der DFB-Auswahl in Palma mindestens so bekannt ist wie ihr Bruder. Martina jedenfalls springt ihrem etwas schüchternen Bruder gern zur Seite.
Also, plaudert Martina freudig los, "die Sache mit dem Preisausschreiben war so: Die Zeitung hat gefragt: Wie viele Torhüter nimmt der Erich Ribbeck mit zur EM?" Und als gelte es, ihren Sachverstand noch einmal zu demonstrieren, wiederholt Martina die richtige Lösung: "Drei natürlich."
Sie erzählt dann noch dies und das und schaut dabei immer den Bruder an, der gleich neben ihr steht. "Ja, der Carsten, der ist nur nach außen hin so zurückhaltend. Der kann auch anders", sagt Martina, und das klingt verdächtig nach einer Entschuldigung. Martina Ramelow erlebt hautnah, wie zaghaft ihr Bruder mit der Prese umgeht. Sie macht dann schnell mal ein Späßchen oder klopft ihm lachend auf die Schulter. Viele Kameras sind heute da. Und natürlich der Carsten, denn der soll im Testspiel gegen Real Mallorca heute Abend (20.30 Uhr, live im ZDF) den verletzten Lothar Matthäus als Abwehrchef ersetzen. Na wenn das nichts ist! Martina nickt.
Carsten Ramelow, der große, stille Blonde. Ein Zauderer. Noch immer redet er von "Alternativen für diese Position". Er gibt sich zurückhaltend, er wiegelt ab. Er ist nun mal, wie er spielt und umgekehrt - defensives Mittelfeld. Die Charaktereigenschaften des Spielers Ramelow lassen sich wie folgt bündeln: zurückhaltend, mannschaftsdienlich, taktisch diszipliniert. Sein Uneigennutz mündet fast schon in Selbstaufgabe. "Ich habe auch keine Probleme damit, wenn der Lothar wieder fit ist und ich wieder auf die Ersatzbank muss", sagt Ramelow noch vor seiner ersten Bewährungsprobe. Er geht davon aus, "dass ein gesunder Matthäus gesetzt ist. Für mich ist wichtig, dass ich dem Teamchef zeigen kann, dass er sich auf mich verlassen kann, wenn er mich bringt". Viel mehr erzählt Carsten Ramelow eigentlich nicht. Ganz anders als Erich Ribbeck und sein Assistent Horst Hrubesch. Die beiden lassen keine Gelegenheit aus, den Fußballer Ramelow über den berühmten Klee zu loben. "Was das Taktische angeht, besitzt er vorausseherische Qualitäten", sagt Ribbeck. Und Hrubesch assistiert: "Er ist sehr ausgereift, ein kompletter Spieler."
In Leverkusen, wo er seit seinem Weggang von Hertha BSC vor knapp fünf Jahren spielt und drei Mal Vizemeister wurde, haben sie das längst begriffen. Für Leverkusens Trainer Christoph Daum ist er "der strategisch wichtigste Spieler". Weshalb sich Manager Calmund zu einer deutlichen Gehaltsaufbesserung hinreißen ließ. Ein langfristiger Vertrag bringt Ramelow jährlich rund drei Millionen Mark ein. Selbst das scheint den 26-Jährigen nicht sonderlich zu interessieren. "Wissen Sie", sagt Ramelow, "wichtig ist, dass man sich aufeinander verlassen kann - auf dem Feld wie im Leben."
Womit wir noch einmal bei Schwester Martina wären. "Der Carsten hat doch gleich seine erste Jugendliebe geheiratet", erzählt sie und reicht ihrem Bruder vor dem Abschied schnell noch eine Flasche Mineralwasser. Sie könnte sich den Mund fusselig reden, aber dafür hat sie eigentlich keine Zeit. Am Vorabend ist sie in Palma gelandet, in ein paar Stunden geht es zurück nach Berlin. 24 Stunden mit "Bild" bei der Nationalmannschaft auf Mallorca. "Das war ein doppelter Treffer", sagt sie noch schnell. Erst das große Gewinnglück, und dann ist da ja noch ihr Bruder, den sie sich immer wieder an ihre Seite zieht. Denn der wäre bei aller Aufregung beinahe völlig in Vergessenheit geraten.