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Sport: Der Kuss des Kameruners

Der Erfolg über Weltmeister Brasilien entschädigt Trainer Winfried Schäfer für die WM-Pleite

Paris. Winfried Schäfer war glücklich, dass er in seiner Muttersprache reden konnte und seine Emotionen nicht in englischen Brocken servieren musste. Und er ließ sich diese Stimmung auch nicht von den 20 oder 30 Journalisten aus Kamerun stören, die immer wieder lautstark nach ihrem Nationaltrainer verlangten. Schäfer ignorierte die Rufe („die Deutschen sind doch gar nicht hier“, „du bist unser Coach“) beharrlich.

Denn hier in den Katakomben des Stade de France war er in die Vergangenheit zurückgekehrt. Er war der Sieger. Er hatte beim Konföderationen-Cup den Weltmeister Brasilien geschlagen. Alle wussten das. Selbst Samuel Eto´o, dem in der 83. Minute das Tor des Tages gelungen war, wusste, wem er zu danken hatte. Als der Stürmer von Real Mallorca in der Nachspielzeit ausgewechselt wurde, umarmte er seinen Trainer.

„Er hat mich geküsst“, sagte Schäfer, und dieser Kuss vor Millionen Menschen bedeute ihm viel. Für ihn war diese Geste ein weiterer Beweis, dass er den richtigen Kurs eingeschlagen hat mit den besten Kickern aus Afrika. Und so, wie sie gerade die halbe Reserve der Weltmeister niedergekämpft hatten, hätten sie vielleicht auch im vergangenen Juni bei der WM in Asien auftrumpfen können. „Wenn wir da fünf Tage früher in Paris wegfliegen, starten wir bei der WM durch“, sagte Schäfer, „jetzt war unsere Vorbereitung eins plus.“ Dieser Sieg bestätigte seine These, in Japan nur wegen der schlechten Vorbereitung gescheitert zu sein.

Damals hatten sie tagelang mit der politischen Führung über WM-Prämien gestritten. Nun regelt Schäfer dieses heikle Geschäft persönlich. Den Spieler Wome, dem er unterstellte, der Rädelsführer der Feilscher zu sein, hat er im Rahmen eines Generationenwechsels aus dem Kader entfernt. Auch sonst hat sich etwas geändert. Nun bekommen die Spieler, die praktisch alle in Europa stationiert sind, ihre Bonusse für nationale Einsätze ausbezahlt. Das Geld versickert nicht mehr zwischen Yaounde und den Konten der Legionäre.

Für den Afrikameister gilt der Vergleich mit den Meistern der anderen Erdteile als Prestigesache. Für Schäfer könnten die Tage in Frankreich eine Ersatz-WM darstellen, sie bieten dem 53-Jährigen die Möglichkeit zur Rehabilitation. Andererseits könnte sein Auftrag für Kamerun im Falle eines weiteren Scheiterns schon nächste Woche beendet sein.

Winfried Schäfer genießt daher den Augenblick. Wie ihm der brasilianische Trainer Carlos Alberto Parreira im Verlauf des Abends bereits das fünfte Mal gratuliert. Immer mit denselben Worten. „Ihr habt den Sieg verdient, ihr habt uns in Schach gehalten.“ Und Schäfer musste viel erklären. Warum die halbe Mannschaft umgekrempelt wurde, und warum alle, bis auf Eto´o, in erster Linie verteidigen sollten. Solche Maßnahmen passen nicht unbedingt zum Angriffsfußball der Kameruner.

Auch zum Wohl von Winfried Schäfer, der sich gern ein Kind der Bundesliga nennt. In dieser Nacht verlieh er diesem Sieg noch die größte Auszeichnung, die er zu vergeben hat. Er verglich das Spiel mit dem Besten, was er als Fußballtrainer bislang erlebt hat: mit seiner Zeit beim Karlsruher SC.

Martin Hägele

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