Sport: Der nuschelt nicht
Einer für alle: Auch alte Damen verfolgen Maskes Karriere – für Kinder ist er eine historische Figur
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Berlin - Rote Tischdecke, lila Osterhasen und Eierlikörtorte: In der Seniorenbegegnungsstätte in der Schlangenbader Straße sitzen vierzehn Frauen zwischen Ende fünfzig und Anfang siebzig zum Osterkaffee zusammen. Sie gehören zum ehrenamtlichen Besuchsdienst des Deutschen Roten Kreuzes im Kreisverband Schöneberg-Wilmersdorf und treffen sich monatlich zum Erfahrungsaustausch – aber nicht nur. Sie diskutieren auch über Henry Maske, ein Wort gibt das andere, sie lassen sich kaum aussprechen. Rund die Hälfte will heute Abend das Comeback des 43-Jährigen verfolgen.
Veronika Appel glaubt zu wissen, was Maske wieder in den Ring treibt. „Vielleicht würde ihn die Niederlage gegen Hill vor zehn Jahren bis an sein Lebensende verfolgen. Er muss es noch mal probieren, dann ist er das los“, meint sie. „Der Weg ist wichtiger als das Ziel.“ Klug sei der Comebackversuch aber nicht, findet sie und erhält Zustimmung von DRK-Mitarbeiterin Marion Fialski. „Ich habe ihn bewundert, als er aufgehört hat. Das war der richtige Zeitpunkt“, sagt sie. „Dann hat er sich für seine Stiftung und für Kinder engagiert. Das war positiv. Das Comeback könnte peinlich werden.“
Und was, wenn es ein Triumph wird? „Kämpft er dann weiter? Das schafft er nicht mehr“, sagt Leonie Fieting-Burghardt. Die intelligenten und redegewandten Klitschko-Brüder, für die sie nachts aufgestanden ist, haben ihre Begeisterung geweckt. Jetzt will sie erstmals Maske in Aktion sehen. Der Gentleman Henry Maske ist es, der den älteren Damen gefällt. „Er ist einer der wenigen Boxer, die eine anständige Sprache haben. Er nuschelt nicht und hat Kultur“, sagt Veronika Appel. Ihre Meinung passt zur Einschätzung von Stephan Peplies von der Agentur „peplies consult“, die rund 50 Spitzensportler betreut. „Dem Boxen haftete etwas Raubeiniges an. Maske hat es in Deutschland salonfähig gemacht und von Klischees befreit“, sagt Peplies. „Die Menschen sagen sich: Wenn so jemand boxt, kann Boxen nicht so schlimm sein.“ Damit ist es auch für ältere Damen attraktiv geworden, die sich einen prügelnden Rüpel nie anschauen würden. Maske sei kein Großmaul, finden die Ehrenamtlichen bei ihrer Osterfeier.
Nicht jeder sieht das so. Am anderen Ende von Berlin, in einer kleinen Halle am Weißen See, üben die neun- bis sechzehnjährigen Nachwuchsboxer des SV Blau-Gelb Berlin vor dem Spiegel den richtigen Bewegungsablauf. Trainer Michael Ungar gibt mit ruhiger Stimme die Kommandos: „Kinn auf die Brust, Beine auseinander!“ Zu Juniorenzeiten war er mit Maske im Trainingslager, ehe die Lebenswege sich trennten. Auch die Jungen wollen Maske kämpfen sehen, aber für die meisten ist er eine historische Figur. Bei Maskes letztem Kampf waren einige von ihnen nicht einmal auf der Welt. „Mein Vater hat erzählt, dass Maske gut geboxt hat“, sagt der neunjährige Florin, der für die Klitschkos schwärmt. Nur der 15-jährige Domenic, Berliner Vizemeister 2007, weiß mehr: „Maske war Olympiasieger und Weltmeister. Aber er war ein bisschen großkotzig.“ Vor zwei Jahren war Domenic bei einer Veranstaltung in Bad Saarow, bei der sich viele Boxer Zeit für den Nachwuchs nahmen. Nur Maske nicht. Erst als Domenic hinterherrannte, bekam er noch ein Autogramm. Warum Maske nach all den Jahren noch einmal angreift? „Wegen des Geldes und weil er ehrgeizig ist. Aber eigentlich hat er keine Chance.“
Dann wechselt Domenic zu den Sandsäcken. Da würde Veronika Appel vom DRK-Besuchsdienst auch die Profis gerne sehen: „Die Boxer tun mir Leid, wenn sie zermatscht in der Ecke hängen.“ Deshalb will sie den Kampf heute nicht sehen. Sie genießt ihn lieber im Radio.
Helen Ruwald
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