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Sport: Der Patron kann gehen

DÜSSELDORF .Das vorletzte Mal ist schon ein Stückchen Abschied.

DÜSSELDORF .Das vorletzte Mal ist schon ein Stückchen Abschied.Bevor Boris Becker im Sommer auf dem Stuttgarter Weissenhof endgültig sein Nomadenleben im Tennis-Vergnügungsbetrieb beendet, zieht der deutsche Superstar schon einen Schlußstrich unter anderthalb bewegte Jahrzehnte mit der deutschen Nationalmannschaft.Im Düsseldorfer Rochusclub, bei der inoffiziellen Mannschafts-Weltmeisterschaft, tritt Becker nun in einem sentimentalen Schaulaufen von der Länderspiel-Bühne ab.Quasi als Abschiedsgeschenk hat ihm der Deutsche Tennis Verband Absolution erteilt: Präsident Karl Weber sprach Becker in Berlin auch im Namen des zuletzt aufmüpfigen Sportwarts Dirk Hordorff "absolutes Vertrauen" aus.

Gemeinsam mit den hoffnungsvollsten Spielern aus seiner Erbengeneration, mit Thomas Haas und Nicolas Kiefer, und mit seinem Doppelpartner David Prinosil will Becker den Kraftakt einer Titelverteidigung in Angriff nehmen.Der Auftakt verlief beim 1:2 gegen Großbritannien nicht gerade nach Maß."Aber noch ist alles drin", befand Becker."Es wäre schon ein gefühlsbeladener Schlußmoment, wenn dieses deutsche Team aus zwei Generationen noch mal den WM-Pokal holen würde." Becker will sich jedenfalls "mit vollem Ehrgeiz reinhängen".Nach seinem aufsehenerregenden Grand-Slam-Rückzug im Juli 1997 hatte er seine weiteren Dienstgänge unter schwarz-rot-goldener Fahne mit der Pflicht begründet, "daß ich erst aufhöre, wenn wir eine wirklich konkurrenzfähige Mannschaft haben".Auch wenn die neue deutsche Welle gegen Rußland kürzlich wieder einen Dämpfer erlitten hat, kann Becker Vollzug seiner Mission melden.

Zufall oder nicht? Aber Beckers Aufbruch in eine neue Lebensepoche fällt zusammen mit der seit langem erfolgreichsten Bilanz deutscher Profis.Seit im Januar die neue Saison eröffnet wurde, stehen bereits sieben Finalteilnahmen und drei Turniersiege zu Buche."Wir brauchen uns vor niemandem mehr zu verstecken", sagt Kompagnon Becker, "nicht vor den Spaniern, nicht vor den Australiern, nicht vor den Amerikanern." Zu dieser Erfolgsbilanz zählt auch, daß mit Kiefer und Haas zwei Spieler in der Weltrangliste auf Positionen stehen, die eine WM-Teilnahme in Hannover möglich machen würden.

Dabei hat er die Karrieren seiner beiden vielversprechendsten Nachfolger entschlossen begleitet und gefördert.Der beim DTB ausgebildete Nicolas Kiefer erhielt von Becker den letzten Feinschliff.Die zwölfmonatige Reifezeit mit sehr individueller Betreuung durch Klaus Hofsäss und Assistenztrainer Klaus Langenbach half Kiefer auf dem Weg zu professioneller Klasse mehr, als der heute wahrhaben will.

Auch der bei Nick Bollettieri aufgewachsene Thomas Haas profitierte von dem alten Meister, der mit Rat und Tat zur Seite stand.Beckers Vertraute wissen, daß Haas noch im letzten Tennis-Jahr zuweilen "zehnmal am Tag" bei Becker anrief und sich Tips einholte.Den Stolz, mit dem Mann zusammenarbeiten zu dürfen, dessen Auftritte er als Steppke gebannt vor dem Fernsehschirm verfolgte, kann Haas noch heute nicht verhehlen.

Wenn einer wie Ion Tiriac heute hört, daß Diskussionen über höhere Davis-Cup-Antrittsgelder aus dem Umfeld der Youngster Kiefer und Haas angezettelt werden, dann kann der weltläufige Impresario nur "müde lächeln".Dann muß Tiriac daran erinnern, "daß Boris erst mal jahrelang für sein Land durchgespielt hat, ohne Pause und ohne Rücksicht auf seine eigene Karriere".Die Idylle eines Vier-Freunde-Teams mit Steeb, Jelen und Kühnen begünstigte dabei Beckers Motivation, "trotz wahnsinnigen Rummels und ziemlicher Anstrengungen" für Deutschland immer und immer wieder anzutreten.

Die goldenen Jahre der Davis-Cup-Mannschaft, die Siege der Jahre 1988 und 1989, sie sind für Becker bis jetzt "noch immer die schönste Zeit, die ich überhaupt im Tennis hatte".Erst als er sich selbst wichtiger werden mußte und eine Länderspiel-Auszeit nahm, war es mit der deutschen Davis-Cup-Herrlichkeit vorbei.Die Verteilungskämpfe zwischen Becker und seinem Rivalen Michael Stich, die Eifersüchteleien und Eitelkeiten, die Streitigkeiten um Antrittsprämien mit einem reich gewordenen Verband - sie belasteten in den neunziger Jahren die nur noch sporadischen Engagements von Becker.

Erst zum Schluß seiner Karriere, "in einem neuen Leben mit neuer Verantwortung", ist Boris Becker zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt.Im Kreis der jungen Wilden fühlt er sich "fast so wohl wie damals" mit den alten Davis-Cup-Mitstreitern.Mit dem Beginn einer neuen Ära im deutschen Herrentennis hat der Patron Becker seine Schuldigkeit getan.Er kann gehen.Mit gutem Gewissen.

JÖRG ALLMEROTH

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