Sport: Der Popstar des Tischtennis
Michael Maze sieht gut aus und spielt hervorragend. Mit ihm ist Dänemark aus dem Schatten des großen Nachbarn Schweden herausgetreten – bei der EM in Aarhus holten die Dänen sensationell den Titel
Dänemark ist ein kleines Land und Tischtennis eine überschaubare Sportart, aber wenn es einen Popstar im Tischtennis gibt, dann ist es der Däne Michael Maze. 23 Jahre ist er alt, ein hübscher junger Mann mit weichen Gesichtszügen und einer drahtigen Figur. Beim Spielen umgibt den Linkshänder die Aura der Unberechenbarkeit und der Genialität. Bei Partys ist er einer der ersten, der kommt, und einer der letzten, der geht. Jede Woche treffen in seinem Verein Borussia Düsseldorf Liebesbriefe für ihn ein.
Nicht nur wegen Michael Maze ist Dänemark in diesen Tagen das Zentrum des europäischen Tischtennis. In Aarhus finden gerade die Europameisterschaften statt, und die dänischen Herren haben zum ersten Mal das Finale erreicht – und es zum ersten Mal mit einer überragenden Mannschaftsleistung gewonnen. Der sensationelle 3:2-Gewinn des Finales gegen den Favoriten Österreich vor einem begeisterten dänischen Publikum am Mittwochabend markiert den Höhepunkt einer besonderen Entwicklung.
Lange Zeit war Tischtennis in Dänemark zwar beliebt, aber wenig erfolgreich. Doch vor einigen Jahren reifte das bisher größte Talent des dänischen Tischtennis heran, Michael Maze. In der Weltrangliste steht er schon auf Platz 14. Es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis er zu den besten zehn gehört.
Gemeinsam mit Finn Tugwell gewann Maze in Athen im Doppel Bronze – die erste olympische Tischtennis-Medaille für Dänemark. „Es war die Erfüllung eines Traums“, sagt Maze. Seitdem gehen im dänischen Tischtennis weitere Wünsche in Erfüllung. Maze erzählt: „Das größte Tischtennisgeschäft in Dänemark verkauft seit Athen jeden Tag zehn Tische. Davor waren es zwei.“ Inzwischen haben die Dänen sogar ein großartiges Problem. Sie haben nicht mehr genügend Trainer, um sich um all die jungen Spieler zu kümmern, die seit dem vergangenen Jahr in ihre Vereine strömen.
Die Dänen sind nun aus dem Schatten des Nachbarn Schweden herausgetreten, der über Jahre hinweg Europameister und Weltmeister hervorgebracht hatte. Peter Jensen vom dänischen Tischtennis-Verband sagt: „Die schwedischen Spieler sind sehr populär in Dänemark. Jetzt ist es zum ersten Mal auch umgekehrt.“ Popstar Maze hat den Sport in seiner Heimat populärer gemacht, aber Heldenverehrung findet in Dänemark nicht statt. Dazu trägt Maze seinen Teil bei. Obwohl er wie ein Mitglied einer Boygroup wirkt, ist er ein bodenständiger Typ. Wenn er zu Hause ist, besucht er seinen alten Klub in Naestved, einer Stadt auf Seeland mit etwa 60 000 Einwohnern. Dort spielt er dann mit dem Nachwuchs.
Der Düsseldorfer Trainer Andreas Preuß nennt Maze einen „sensiblen Beckham“. Als Maze vor acht Jahren bei den Düsseldorfern seinen Vertrag unterschrieb, habe er kein einziges Wort gesagt, erzählt Preuß. Inzwischen ist er ein offener, charmanter Mann geworden, der nur am Tisch die Beherrschung verliert. „Ich weiß, dass ich mich manchmal nicht gut benehme“, sagt er. Trainer Preuß berichtet von verbogenen Banden und kaputten Türen in Düsseldorf, die Mazes Wut zum Opfer gefallen seien. Bisweilen wirkt Maze sprunghaft, auch lustlos, als bestimme einzig seine Laune, ob er ein Spiel gewinnt oder nicht.
„Es sieht manchmal so aus, als kämpfe er nicht. Er ist eben noch lange nicht stabil“, sagt Preuß. In den vielen Jahren in Düsseldorf hat Preuß jedoch auch andere Seiten an ihm kennen gelernt: „In ihm stecken ein großes Herz und viele Gefühle.“ Als Maze vor einigen Jahren seinen Vater verlor, habe er auf einmal gezeigt, wie viel ihm Familie bedeute. Er verbrachte noch mehr Zeit in Dänemark bei seiner Mutter und seiner Schwester. Seiner Rolle als Frauenheld werde er nur bedingt gerecht. Vor einem Dreivierteljahr trennte sich Maze zwar von seiner Freundin, einer dänischen Nationalspielerin im Badminton. Doch die Beziehung dauerte fünf Jahre.
Jörg Petrasch[Aarhus]