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Jules Bianchi fährt seit 2013 für Marussia in der Formel 1.

© afp

Update

Der Unfall von Jules Bianchi: Viel Pech, doch die Formel 1 muss sich Fragen stellen lassen

Das Formel-1-Rennen in Suzuka endete mit einem Schock: Jules Bianchi verunglückte schwer. Medienberichten zufolge soll der Franzose eine erste Operation gut überstanden haben und müsse zudem nicht mehr künstlich beatmet werden.

Die Signale waren von Anfang an geeignet, Schlimmes zu befürchten: Rennabbruch, der Hinweis an die Fahrer, sich auf dem Siegerpodest zurückhaltend zu geben, kein Champagner, die Reaktionen der Piloten in den Interviews, vor allem auch die von Adrian Sutil, der wohl am meisten wusste – schließlich war er direkter Augenzeuge des mit Abstand folgenschwersten Unfalls in der Formel 1 seit langem: Der 25-Jährige Franzose Jules Bianchi kämpft seitdem ums Überleben. 

Bei immer schlechter werdenden Wetterbedingungen, zunehmenden Regen und langsam einbrechender Dunkelheit hatte zunächst Adrian Sutil die Kontrolle über seinen Sauber verloren und war in der Leitplanke gelandet – noch ohne größere Folgen. Ein Bergungskran sollte das Auto aus der Gefahrenzone befördern, als auch Jules Bianchi im Marussia an genau der gleichen Stelle abflog,  und in den Truck krachte. Dabei rutsche sein Auto seitlich mit ungeheurer Wucht unter dessen Ballast-Ausbuchtung im Heck und kam mit einem Schlag zum Stillstand. Der Aufprall war so stark, dass dabei der Sauber wieder vom Haken fiel. Der Überrollbügel und die seitliche Crashstruktur wurden völlig abrasiert, das linke Hinterrad zum Vorderrad nach vorne gestaucht,  nur noch die Überlebenszelle blieb übrig, aber dort,  wo sich der Kopf des Fahrers befindet, wurde diese  Karbonschale leicht eingedrückt. Adrian Sutil, sichtlich geschockt: „Es sah nicht gut aus, aber mehr kann ich dazu nicht sagen, ich habe auch keine genaueren Informationen. Wir können nur hoffen.“

Rettungskräfte bergen Jules Bianchi aus den Überresten seines Autos.
Rettungskräfte bergen Jules Bianchi aus den Überresten seines Autos.

© dpa

Formel 1: Jules Bianchi wurde in das Universitätsklinikum Mie gebracht und sofort notoperiert

Erinnerungen wurden wach an den Testunfall der Spanierin Maria de Villota, die vor zwei Jahren, auch in einem Marussia, in die offene Laderampe eines leichtsinnig geparkten Lkw gekracht war. Wie sie erlitt jetzt Bianchi schweren Kopfverletzungen. Er ist in das gut zehn Kilometer entfernte Universitätsklinikum Mie gebracht und dort sofort notoperiert worden. Nach Berichten des französischen Fachblatts „L'Equipe“ soll Bianchi eine erste Operation gut überstanden haben und müsse zudem nicht mehr künstlich beatmet werden. Eine offizielle Bestätigung des Krankenhauses oder seines Teams gab es dafür zunächst nicht. 

Dass bei dem Unfall eine Menge Pech und unglückliche Umstände zusammen kamen, ist die eine Seite – dass die Formel 1 sich aber trotzdem einige Fragen stellen muss, die andere. Erstens: Dass sich das Wetter im Laufe des Tages angesichts des heranziehenden Taifuns Phanfone deutlich verschlechtern würde, war seit Tagen bekannt, dass man bei jeder Verzögerung bei einer Startzeit von 15 Uhr gegen Ende des Rennens Sichtprobleme bekommen würde, weil es in Suzuka dann schon dunkel wird, auch. Deswegen hatte die FIA ja auch mehrfach eine Vorverlegung des Starts auf 11 Uhr vorgeschlagen, sich aber nicht durchgesetzt. Der japanische Veranstalter und Streckenbesitzer Honda war wohl dagegen, befürchtete, die Fans würden dann nicht rechtzeitig an die Strecke kommen. Und die Fernsehzeiten in Europa spielten auch wieder eine Rolle – nach dem Motto, früh um vier wären die Quoten eine Katastrophe. 

Zweitens – hätte man nicht früher abbrechen können und müssen, als sich die Bedingungen wieder deutlich verschlechterten, speziell, nachdem die 40. Runde, 75 Prozent der Distanz, absolviert waren? Danach hätte es volle Punkte gegeben. Adrian Sutil, sonst wirklich nicht der Ängstlichste und Vorsichtigste unter den heutigen Formel-1-Pilot, sah es so: „Es wurde sehr dunkel. Auch das Wasser auf der Strecke wurde immer mehr. Ich denke, es wäre richtig gewesen, wenn man ein paar Runden vorher schon abgebrochen hätte. Besonders wir mit den langsameren Autos mit weniger Abtrieb spüren das auf so einer Strecke als erste. Das ist sehr tückisch. Es sind viele langgezogene Kurven. Wenn dann ein bisschen Aquaplaning kommt, hat man keine Chance mehr.“

Nico Rosberg: "Ich hatte keine Probleme, kann mir aber gut vorstellen, dass es für meine Kollegen in schlechteren Autos echt heikel war"

Auch Felipe Massa verstand die Entscheidung, das Rennen weiterlaufen zu lassen, nicht: „Ich habe schon fünf Runden lang in meinen Helm gebrüllt, dass es nicht mehr geht.“ Nico Rosberg meinte: "Ich hatte keine Probleme, aber wir sitzen in einem besseren Auto mit viel mehr Abtrieb. Ich kann mir gut vorstellen, dass es für meine Kollegen in schlechteren Autos echt heikel war." Vettel fügte hinzu: "An einigen Stellen war es auch für uns an der Grenze.“

Drittens: Hätte man zumindest das Safety-Car früher auf die Strecke schicken müssen, sofort nach Sutils Crash?  „An der Stelle wurde doppelt gelb geschwenkt. Da muss man halt vom Gas gehen“, meinte Rosberg – was Bianchi wohl nicht unbedingt tat. Auch seit Jahren ein Thema – dass gelbe Flaggen nicht so richtig ernst genommen werden. In der Vergangenheit mussten sich Fahrer schon von ihren Teams Vorwürfe anhören, wenn sie bei Gelb deutlich vom Gas gegangen waren und dadurch, speziell in Qualifyings, einen Nachteil hatten. 

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