Sport: Deutschland holt EM-Gold im Tischtennis
Männerteam gewinnt zum ersten Mal den Titel
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Belgrad - Timo Boll springt als erster in die Spielbox und umarmt seinen hüpfenden Teamkollegen Christian Süß. Der 21-Jährige hat soeben mit seinem Sieg endgültig den Fluch von den deutschen Herren gebannt. Nach fünf Finalniederlagen in der 49-jährigen Geschichte der Europameisterschaft gewinnen die Deutschen in Belgrad ihr erstes Mannschafts-Gold. Im Endspiel schlugen sie Kroatien 3:0. Als die Spieler und Trainer sich endgültig in den Armen lagen und tanzten, stand Ehrenpräsident Hans-Wilhelm Gäb etwas abseits und sagte: „Darauf habe ich 27 Jahre gewartet.“ 1980 hatten die Deutschen ihr erstes Finale gegen Schweden mit 4:5 verloren.
Dass der Fluch nun gebannt ist, lag nicht zuletzt an den jungen Spielern, die eigentlich gar nichts vom einem Fluch wussten. Vor dem Finale hatte Süß noch selbstbewusst gesagt: „Dimitri Owtscharow und ich haben noch kein EM-Finale verloren.“ Nach der 2:0 Team-Führung im Finale zitterten dem Düsseldorfer dann aber doch die Knie, ehe er sein Spiel gegen Roko Tosic knapp mit 3:2 gewann. „Da denkt man schon im ersten Satz bei 0:0 daran, dass man mit seinem Spiel Gold holen kann“, sagte der ehemalige Doppel-Weltmeister grinsend.
Bei Timo Boll, der an drei Finalniederlagen beteiligt war, klingt in der Freude auch Erleichterung mit: „Wir hatten früher ganz oft Pech. Es war einfach an der Zeit, diesmal hat einfach alles gepasst.“ Im Auftakteinzel genügte dem 26-Jährigen eine durchschnittliche Leistung gegen den Kroaten Zoran Primorac für seinen 3:0-Sieg. Spielerisch konnte der Weltranglisten-Vierte vom TTV Gönnern aber nicht restlos überzeugen. Offensichtlich hat Boll jedoch die Stärke, sich im entscheidenden Moment zu konzentrieren.
Diese Eigenschaft scheint auch den deutschen EM-Debütanten auszuzeichnen. Der 18-jährige Dimitri Owtscharow lieferte im zweiten Spiel gegen den bis dahin ungeschlagenen Tan Rui Wu eine weitere Demonstration seiner speziellen Fähigkeiten: Selten war bei einem so jungen Spieler die Kombination von Talent, Spielintelligenz und Selbstvertrauen so ausgeprägt zu sehen. Timo Boll hatte schon im Vorfeld prophezeit, dass Owtscharow bei der EM eine wichtige Rolle spielen könnte. Der Deutsche Vizemeister selbst hat eine einfache Erklärung dafür: „Was soll ich sagen, es läuft bei mir gerade einfach.“ Auch in seinem sechsten Einsatz für das deutsche Nationalteam bleibt der in Kiew geborene Owtscharow ohne Niederlage.
Der einzige, der nicht ganz zufrieden sein konnte, war Rekordnationalspieler Jörg Roßkopf. Der 37-Jährige wurde nur einmal eingesetzt, im Finale und Halbfinale saß er auf der Bank. „Ich habe lange auf diesen Moment gewartet. Das wissen die Jungen gar nicht zu schätzen. Sie werden diesen Titel noch oft gewinnen, da bin ich sicher.“
Jörg Petrasch
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