Sport: Die Fans als Pfand
Hertha BSC sucht nach Wegen zu neuen Millionen
Berlin. Dieter Hoeneß hat ein Problem. „Nun denken doch alle, unserem Verein stehe das Wasser bis zum Hals. Dabei kann davon keine Rede sein“, sagte der Manager von Hertha BSC, nachdem bekannt geworden war, dass sich der Fußball-Bundesligist für das „Schalker Modell“ interessiere. Der FC Schalke erhält in Kürze vom Londoner Investor Stephen Schechter einen Kredit über 85 Millionen Euro. Im Gegenzug muss der Klub in den nächsten 24 Jahren die Zuschauereinnahmen beleihen und den Kredit mit einem festen Zinssatz zurückzahlen. Die Fans werden praktisch als Pfand eingesetzt.
Hoeneß dementiert Verhandlungen, bestätigt aber das Interesse. „Es wäre doch fahrlässig, würden wir in einer Zeit, da es Finanzierungsengpässe gibt, den Markt nicht sondieren“, sagte er. Die Prüfung des Finanzierungsmodells sei noch im Gange. Interessant sei jedoch, dass die Zinsen und die lange Laufdauer offenbar recht günstig seien. Derartige Konditionen würden Banken in Deutschland gar nicht bieten können. Dennoch müsse man sich das Modell genau überlegen, denn schließlich begäbe man sich in eine „Form von hoher Verschuldung“.
Sein Bruder Uli hat sein Urteil über diese Art der Geldbeschaffung, die von mehreren englischen Klubs wie Newcastle United, Ipswich Town, Leeds United und Leicester City praktiziert wird, bereits gefällt: „Das ist sicher nichts, was den Nobelpreis für Wirtschaft verdient hat. Leute, die über diesen Deal jubeln, haben von Wirtschaft so wenig Ahnung wie ich von der Metropolitan Opera in New York.“ Dazu Dieter Hoeneß: „Wenn ich in der Champions League spiele, muss ich mich um derartige Finanzierungsmodelle auch nicht kümmern.“
Ebenso wie der FC Bayern haben sich Verantwortliche mehrerer Bundesligaklubs skeptisch zu dem Modell geäußert. „Für unseren Verein kommt das nicht in Frage. Denn es ist ein einmaliger Vorgriff auf Erlöse der Zukunft“, sagte VfL Wolfsburgs Manager Peter Pander. Da das Wolfsburger Stadion nur 30000 Besucher fasst und damit die Zuschauererlöse relativ gering sind, wäre der VfL für den Londoner Investor sicher auch nicht sonderlich interessant. Das Berliner Olympiastadion dagegen fasst nach dem Umbau wieder 76000 Zuschauer.
Dass derzeit wesentlich weniger Plätze zur Verfügung stehen, trägt zum von Hoeneß erwähnten Finanzengpass bei. Bis zur Fertigstellung des Olympiastadions im nächsten Jahr rechnet Hertha mit einer Einbuße von 14 Millionen Euro. Hinzu kommen allein in dieser Saison etwa 3,5 Millionen Euro Mindereinnahmen durch die Kirch-Krise. Zudem investiert Hertha in das neue Vereinszentrum nahe dem Olympiastadion rund 15 Millionen Euro. Und zur Erinnerung: Im Vorjahr betrugen die Verbindlichkeiten 16,9 Millionen Euro; sie werden nicht geringer geworden sein. Durch die Vertragsverlängerungen mit Arcor (bis 2006) und Nike (bis 2009) kann der Verein allerdings auf erhebliche Gelder zurückgreifen.
Klaus Rocca