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Sport: Die Kraft der letzten Minuten

Beim Play-off-Auftakt gegen Ludwigsburg spielt Alba Berlin erst zum Schluss seine Überlegenheit aus

Berlin – Als Szymon Szewczyk den Ball per Dunking in den Korb befördert, dabei einen Freiwurf zugesprochen bekommt, weil er gefoult worden ist, und die Fans in der Max-Schmeling-Halle aufstehen und ihr Team feiern, ist sich Henning Harnisch sicher: Jetzt ist es geschafft, beim Stand von 87:75 ist den Basketballprofis von Alba Berlin der Sieg im ersten Play-off-Viertelfinalspiel gegen EnBW Ludwigsburg nicht mehr zu nehmen. Doch Harnisch, der Teammanager der Berliner, musste lange auf diesen Moment warten: bis rund drei Minuten vor Schluss. Erst in der Endphase stellte Alba mit ansehnlichen Spielzügen und spektakulären Punkten den 98:80-Sieg sicher.

„Ludwigsburg war in der Lage, nicht nur mitzuspielen, sondern uns das Leben sehr schwer zu machen“, sagte Albas Trainer Henrik Rödl, während sein Kollege Silvano Porpat nicht nur die am Ende fehlende Kraft beklagte, sondern „dass wir undiszipliniert waren. Das wird Konsequenzen haben.“ Er spielte damit auf zwei absichtliche unsportliche Fouls von Ismaila Sy an, die zur Disqualifikation des Ludwigsburgers und zu Freiwürfen für Alba führten.

„Wir waren nicht 18 Punkte besser, sondern vier oder fünf“, sagte Tanel Tein. Dass sein Team wegen lascher Verteidigungsarbeit schwer und spät ins Spiel fand, hänge damit zusammen, dass Albas Rhythmus durch die Pokalendrunde am vergangenen Wochenende unterbrochen wurde. Im Gegensatz zu Ludwigsburg war Alba nicht qualifiziert und flog stattdessen ins Trainingslager nach Mallorca. Immerhin „hat die Sonne geschienen, und wir haben Energie getankt“, sagt Tein. Dass Alba diese Energie zwar nicht am Anfang, dafür dann aber bis zur letzten Sekunde einsetzte, war für Henning Harnisch entscheidend. „Es war wichtig, konsequent fertig zu spielen“ und eben nicht mit zehn Punkten Unterschied zu siegen, sondern mit fast 20. „Das lesen die Gegner, und das kann psychologisch eine Rolle spielen“, glaubt Harnisch. Denn auf dem Papier signalisiert das Ergebnis: Die Berliner, für die nur der Meistertitel zählt, sind hoch überlegen und nur schwer zu schlagen.

Vier Berliner punkteten zweistellig: die gewohnt souveränen Jovo Stanojevic (24) und Matej Mamic (16), Spielmacher Gerald Brown (18) sowie Center Szymon Szewczyk, der sich nach schwachem Beginn enorm steigerte und noch 19 Punkte erzielte. Doch den Unterschied machten auch zwei Berliner, die weniger oder gar nicht punkteten: Tanel Tein und Sascha Leutloff. Die Statistik verzeichnet für den 27-jährigen Tein neben acht Punkten auch fünf Rebounds, fünf Korbvorlagen und vier Ballgewinne. „Er hat einen großen Schritt nach vorn gemacht“, sagte Henning Harnisch über den Esten, der nicht von Anfang an spielte, aber dennoch auf 30 Minuten Spielzeit kam. Sascha Leutloff stand zwar nur acht Minuten auf dem Feld und brachte den Ball kein einziges Mal im Korb unter – doch er störte die Wege von Wilson. Rödl brachte ihn ins Spiel, als der US-Amerikaner in der zweiten Halbzeit kurz hintereinander sieben Punkte gemacht hatte (15 insgesamt) und niemand ihn bremsen konnte. Bis auf Leutloff. „Henrik wollte, dass ich Wilson für kurze Zeit ein bisschen nerve und ihn aus dem Spiel nehme, das hat gut geklappt“, sagte der 22-Jährige. Das fand auch Harnisch. „Wilson hatte eine heiße Phase, dann kommt einer, den er gar nicht kennt, und er trifft nicht mehr.“

Am Dienstag beim zweiten von maximal fünf Spielen in Ludwgisburg kann Leutloff erneut sein Können beweisen. Dort und in den folgenden Spielen fordert Albas Vizepräsident Marco Baldi einen Tunnelblick: „Die Spieler dürfen nicht an gestern denken und nicht an morgen.“ Also nicht an 18 Punkte Vorsprung und nicht an den achten Meistertitel. Denn Ludwigsburg kann Alba schlagen – so wie am 4. Dezember, beim 89:80.

Helen Ruwald

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