zum Hauptinhalt

Sport: Die Schnellsten sind zu langsam

Bei den nationalen Meisterschaften zeigt sich: Die deutschen Leichtathleten laufen international hinterher

Dortmund. Schon einmal hatte Tobias Unger überrascht. Im Juni des vergangenen Jahres war der Leichtathlet die 200 m bei den Landesmeisterschaften von Baden-Württemberg in 20,41 Sekunden gelaufen. Das reichte zwar in der Jahresweltbestenliste nicht für einen Platz unter den ersten 30, war aber für deutsche Verhältnisse außerordentlich gut. Denn seit Frank Emmelmann, der 1985 den noch heute gültigen deutschen Rekord aufgestellt hatte (20,23), war kein Sprinter über diese Distanz so schnell gewesen. Doch bestätigen konnte Tobias Unger diese Leistung im Laufe der Saison nicht. Bei den Weltmeisterschaften in Paris blieb er schon im Vorlauf hängen. Nichts Neues also im deutschen Sprint, der seit mehr als zwei Jahrzehnten keine Rolle mehr spielt, wenn es darum geht, den schnellsten Mann der Welt zu ermitteln.

Am Sonntag in Dortmund wurde wieder ein wenig Hoffnung geweckt. Wieder durch Tobias Unger. Nachdem er zunächst das 60-m-Finale gewonnen hatte, sprintete er über 200 Meter zu einer Siegerzeit von 20,59 Sekunden. Damit verpasste er den 20 Jahre alten deutschen Hallenrekord nur um zwei Hundertstelsekunden und setzte sich sogar an die Spitze der Jahresweltbestenliste. Die internationale Nummer eins war er allerdings nicht einmal einen Nachmittag lang, denn im Rahmen der französischen Meisterschaften war Joseph Batangdon (Kamerun) zwei Hundertstelsekunden schneller.

Beim Blick auf die deutschen Chancen für die Hallen-WM, die in zehn Tagen in Budapest beginnt, ist vor allem Realismus wichtig. Obwohl viele Stars im Olympiajahr auf die Hallen-Titelkämpfe verzichten, wäre es schon ein außergewöhnlicher Erfolg, sollte Unger ins Finale der besten sechs kommen. Locker will er an die neue internationale Herausforderung herangehen. „Vor der WM in Paris war ich zu verkrampft, das ist jetzt nicht der Fall. Ich warte einfach ab“, sagt Unger. Dabei muss er mit einem Handicap leben, denn das Training für die Rennen auf den 200-m-Hallenbahnen findet auf einer 400-m-Bahn im Freien statt. „Die nächste Halle ist 180 Kilometer weit weg. Darum ist es nicht leicht, sich auf die Hallenbahn umzustellen“, sagt Unger.

Schwierig ist die Situation auch bei den Frauen. Die Siegerin über 60 m, Gabi Rockmeier, wird bei der WM in Budapest überhaupt keine Rolle spielen. Sie will sich wie viele andere Athletinnen, etwa die Berliner 400-m-Siegerin Claudia Marx, ganz auf die Vorbereitung für die Olympischen Spiele in Athen konzentrieren.

Deutschland wird in Budapest also wohl kaum im Sprint Medaillen holen. Eher schon im Stabhochsprung. Gerade zur rechten Zeit kommt Tim Lobinger (ASV Köln) wieder in Form. In Dortmund steigerte er seine Saisonbestmarke auf 5,75 m. „Bei meinem Saisonverlauf kann man erkennen, dass es nach oben geht“, sagte Lobinger, der als Titelverteidiger nach Budapest reist. Zuvor plant er Starts in Chemnitz und Leipzig am kommenden Wochenende. „Ich freue mich auf diese Wettkämpfe, denn ich möchte nicht erst bei der Hallen-WM wissen, dass ich 5,80 Meter springen kann“, sagte Lobinger.

Bisher 21 Sportler hat der Deutsche Leichtathletik-Verband für die WM nominiert, darunter Weitspringerin Sophie Krauel (Jena). Keine Rolle spielte dabei eine weitaus bekanntere Athletin: Susen Tiedtke kam bei ihrem von großer Medienresonanz begleiteten Comeback nicht über schwache 6,19 m hinaus – viel Wirbel also um nichts.

Zur Startseite