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Snooker-Chef Hearn organisiert auch die German Masters in Berlin.

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Snooker: Die Welle erreicht Berlin

Der in Großbritannien stagnierende Sport sollte sich für eine kommerziell erfolgreiche Zukunft verjüngen und expandieren. Deutschland und speziell Berlin könnte dabei eine wichtige Rolle zukommen.

Vor einigen Tagen gewährte Barry Hearn einer Gruppe Journalisten am Rande der British Masters in London eine kurzweilige Privataudienz. Während Techniker das TV-Licht über dem Spieltisch überprüften, erklärte der Promoter und Vorsitzende der World Professional Billards and Snooker Association (WPBSA), wie weit die Eroberung des europäischen Festlands durch die britischste aller Billardvarianten gediehen sei. Erst als die Frage nach den Gründen für den Erfolg aufkam, geriet sein Plauderton vorübergehend ins Stocken.

„Ich wünschte, ich könnte das genauer erklären“, räumte der 65-Jährige ein. Normalerweise brauche man wohl eine lokale Größe, wie ihn etwa die Belgier gerade im 18-jährigen Luca Brecel gefunden haben. Aber in Deutschland, wo der stille Sport mit am populärsten ist, sei so jemand nicht in Sicht – weil auch Talente wie der 16-jährige Berliner Pawel Leyk noch ein paar Jahre Anlauf brauchen. „In einigen Ecken ist Snooker eben schick geworden. Ich weiß wirklich nicht, warum“, sagte Hearn, der als Manager einzelnen Stars wie Steve Davis, Dennis Taylor oder dem jungen Ronnie O’Sullivan üppige Einnahmen sicherte.

Wer auf der Welle reitet, muss nicht unbedingt verstehen, wie sie entstanden ist. Dennoch ist die gespielte Unschuld verblüffend: Alle Welt macht doch den gewieften Impresario dafür verantwortlich. Es war Hearn, der als neuer Vorsitzender für Snooker im Weltverband ab 2009 eine neue Richtung vorgab: Der in Großbritannien stagnierende Sport sollte sich für eine kommerziell erfolgreiche Zukunft verjüngen und expandieren. Nun ist daraus bereits Gegenwart geworden, in China und Osteuropa – und nicht zuletzt in Berlin, wo heute zum vierten Mal die German Masters als Turnier der „Main Tour“-Serie steigen. Inzwischen diskutiert man in den WPBSA-Büros in Bristol gar, ob noch ein zweites Ranglisten-Turnier auf deutschem Boden Platz finden sollte. Ja, mehr noch: Wenn nächstes Jahr der Vertrag mit dem Crucible Theatre in Sheffield ausläuft, kommt auch Berlin für den Zuschlag für die Austragung des alljährlichen WM-Turnier infrage.

„Die meisten meiner Ideen sind Mist. Aber ab und zu komme ich mit einer richtig guten daher“, sagt Hearn, der seit den Achtzigern mit Boxkämpfen von Frank Bruno oder Chris Eubank Stadien füllte. Inzwischen produziert sein Unternehmen Matchroom pro Jahr 2800 Stunden Live-Programm und über 700 Events in zehn Sportarten.

Darunter die Darts-WM mit einem der zwei Weltverbände oder, wie im Januar, eine Weltmeisterschaft im Ping-Pong sowie Konkurrenzen in Bowling und Sportangeln. Immer nah am sinnlichen Geschmack der Menge, dem auch Snooker längst entgegenkommt: mehr Zugänge für Newcomer, genaueres Ausleuchten der Stars und Charaktere.

Da tobt nämlich „eine Soap Opera“, so Hearn, die vom Fernsehsender Eurosport bestens inszeniert werde – so dass die Fans auch in Berlin das Gefühl haben, auf alte Bekannte zu stoßen. Darum gibt es bei der Eroberung Europas auch keinen geeigneteren Sender: „Es ist keine Beziehung. Es ist eine Ehe.“

Bertram Job

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