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Sport: Ein anderes Bild

Beim Regionalligaspiel Jena gegen St. Pauli demonstrieren Fans gegen Gewalt

Im Moment größter Aufregung hatte Corny Littmann, Präsident des Fußball-Regionalligisten FC St. Pauli, vor gut einer Woche die Anhänger seiner Mannschaft sogar gewarnt, zum Auswärtsspiel nach Jena zu fahren. Und das vor allem aus geographischen Gründen: Jena liegt in Ostdeutschland, Chemnitz auch. Rund 300 Fans des Chemnitzer FC hatten beim Auswärtsspiel ihrer Mannschaft am Hamburger Millerntor mit rassistischen Pöbeleien provoziert, was nach Spielende dann in einer Massenprügelei mit Fans von St. Pauli mündete. Den Ruf, dass der Fußball-Osten prinzipiell eine Problemzone ist, wollten sie beim FC Carl Zeiss Jena aber nicht akzeptieren. Es gab am Samstag in Jena eine kleine Demonstration gegen Rassismus und danach vor immerhin 11 000 Zuschauern ein Regionalligaspiel gegen den FC St. Pauli, das frei von atmosphärischen Störungen war.

Anerkennender Applaus begleitete die Spieler des FC St. Pauli beim Gang von ihrer Fankurve in die Katakomben des Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeldes. Als einer der Ersten kam Michel Mazingu-Dinzey, der mit der 0:1-Niederlage im Blick allerdings regungslos an der Tribüne vorbeiging. Dann folgte eine Gruppe mit Felix Luz an der Spitze, der seit dem Einzug ins Pokalhalbfinale zu einem der wenigen Stars des Kiezklubs geworden ist. Wie selbstverständlich nahm der 24-Jährige den Steilpass der Jenaer Zuschauer auf, erhob immer wieder beide Hände, um sich auf den 50 Metern, die er auf der Tartanbahn des Stadions noch zurückzulegen hatte, nachdrücklich beim Heimpublikum zu bedanken. „Für mich ist das ganz normal. Die Zuschauer haben hier eine super Stimmung gemacht, deswegen wollte ich etwas zurückgeben“, sagte Felix Luz.

Abseits der 90 Spielminuten war die Partie, vor der St. Pauli-Präsident Littmann seine Fans unter dem Eindruck der Krawalle gewarnt hatte, aber ebenso bedeutsam, wie Rainer Zipfel deutlich machte. Der Präsident des FC Carl Zeiss Jena unterbrach sogar nach dem Spiel die überdurchschnittlich stark besuchte Pressekonferenz, um noch ein paar Worte an die Adresse seines Hamburger Amtskollegen zu richten. „Wer uns kennt, der weiß, dass niemand Angst vor einem Besuch in Jena haben muss“, sagte Rainer Zipfel. „Die Fans beider Vereine haben dies eindrucksvoll bewiesen. Dafür möchte ich mich bei allen bedanken.“

Bereits zwei Stunden vor dem Spiel hatte es einen Aktionsmarsch gegen Gewalt und Rassismus im Fußball gegeben. Die etwa 200 Teilnehmer, zu großen Teilen Anhänger des FC St. Pauli, die einer Einladung der Jungen Gemeinde in Jena gefolgt waren, schlenderten entspannt vom Zentrum bis zum Stadion. Zwischenfälle oder Störungen gab es keine. Im Gegenteil: Auf dem Weg durch das Paradies, einer weiträumigen Parkanlage, mischten sich auch vereinzelte Jenaer Fans in den Zug.

Aufgrund des erstaunlich großen Zuschauerinteresses entschieden sich die Verantwortlichen des FC Carl Zeiss Jena in Abstimmung mit der Polizei sogar dazu, einen Block in der Kurve der Gäste-Fans für 200 noch vor den Stadionkassen wartenden Jenaer Anhänger zu öffnen. Präsident Rainer Zipfel sagte: „Bei einem Thüringen-Derby gegen Rot-Weiß Erfurt hätten wir eine solche Entscheidung aus Sicherheitsgründen nicht getroffen.“

Im Zuschauerbereich des Ernst-Abbe- Sportfeldes versuchte St. Paulis Spieler Felix Luz kurz vor der Abfahrt des Mannschaftsbusses noch, eine Thüringer Bratwurst zu bekommen – vergeblich, die waren längst ausverkauft. Luz sagte: „Das Bild, das viele Chemnitzer Fans am vorigen Spieltag am Millerntor von Ostdeutschland abgeliefert haben, war schlimm.“ In Jena dagegen hätten die Fans ein ganz anderes Bild abgegeben. Das werte er als „ein positives Zeichen“, sagte Felix Luz.

Mathias Liebing[Jena]

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