Sport: Ein bisschen Bier, ein bisschen Sekt
Verhalten feiert Turbine Potsdam den 2:0-Sieg im Hinspiel des Uefa-Cup-Finales bei Djurgarden/Alvsjö
Berlin - Der Mitarbeiter am Gate 2 des Flughafens Tegel hatte zwar keine Ahnung, aber gute Ohren. Die Fans von Turbine Potsdam, die am Gepäckband warteten, waren laut und fröhlich, also konnten die Fußballerinnen nicht verloren haben. „Wie hoch haben sie denn gewonnen?“, wollte er wissen, kurz nachdem am Pfingstsonntag um 20.19 Uhr die Chartermaschine aus Stockholm gelandet war. 2:0 im Finalhinspiel des Uefa-Cups bei Djurgarden/Alvsjö durch Tore von Conny Pohlers und Anja Mittag? Die knappe Antwort: „Na, ein 4:0 wäre besser gewesen.“ Hinter der Glasscheibe wedelte derweil Turbine-Fan Harald Müller wild mit dem Fanschal und klopfte Torschützin Conny Pohlers kumpelhaft auf die Schulter, während seine Schwägerin ihn fotografierte. Sie gehörte mit ihren Töchtern zu dem sehr kleinen Grüppchen Abholer, die ziemlich verloren vor dem Gate standen. „Das ist ja nett hier“, sagte Nationalspielerin Petra Wimbersky, als sie das Mini-Empfangskomitee sichtete, und es klang so, als finde sie es alles andere als nett. Immerhin tauchte in diesem Moment ein langhaariger Mann vor ihr auf und ließ sich zwei Autogramme geben.
Wenigstens hatte die Mannschaft über den Wolken mit rund 75 mitgereisten Fans gefeiert. „Es gab Bier und ein bisschen Sekt, aber in geringen Mengen“, erzählte Petra Wimbersky. Schließlich war „das ein großer Schritt, aber noch nicht der Pokalgewinn“, sagte Conny Pohlers, ehe sie in den Mannschaftsbus mit der Aufschrift „Deutscher Meister und Pokalsieger 2004“ stieg. Am Samstag soll ein neuer Titel hinzukommen und den größten Erfolg der Vereinsgeschichte perfekt machen. Um 13 Uhr tritt Stockholm im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion zum Finalrückspiel an.
„Das wird nicht einfach, die werden viel Druck machen“, sagte Trainer Bernd Schröder gewohnt zurückhaltend, ehe er doch noch hinterherschob: „Es war kein brillantes Spiel, aber ein 2:0 auswärts ist ein Topergebnis.“ Nach dem Führungstor von Conny Pohlers in der 34. Minute hatte Schröder an der Seitenlinie wild mit den Armen gerudert und den Oberkörper seltsam verdreht – für den 62-Jährigen ein ungewohnt emotionaler Ausbruch. Es war der Moment, in dem die Anspannung von ihm abfiel. Als Anja Mittag in der 53. Minute mit einem Linksschuss ins linke Eck auf 2:0 erhöhte, erhob sich Schröder langsam von der Bank und klatschte kontrolliert. Navina Omilade traf kurz vor Schluss nur den Pfosten, ein 3:0 wäre möglich gewesen – aber auch ein 3:3. Torhüterin Nadine Angerer klärte dreimal mit tollen Paraden gegen Kristin Bengtsson. Angerer hatte sich von ihrer Freundin, Malmös Torhüterin Caroline Jönsson, ein paar Tipps geben lassen, „nicht viele, sie wollte ja ihre schwedischen Kolleginnen nicht reinreiten“. Aber es reichte, Angerer machte ein überragendes Spiel. Gegen die Spielerin, vor der sich Turbine am meisten gefürchtet hatte, musste sie ihr Können nicht beweisen: Stürmerin Victoria Svensson fiel mit einem Muskelfaserriss aus. „Das hat uns gut getan“, sagte Schröder. Am Samstag bei der Pressekonferenz hatte er davon erfahren, es aber nicht geglaubt. „Ich dachte, das sei Taktik.“ Als er bei eben jener Pressekonferenz gefragt wurde, ob sein Team nach der 0:2-Niederlage vom vergangenen Dienstag bei Aufsteiger Craislheim in der Krise stecke, sagte Schröder nur: „Das ist Taktik“ – und ging.
Am Samstag wird Svensson wahrscheinlich wieder dabei sein. Umso wichtiger war es, dass Potsdam statt des geplanten einen Auswärtstores sogar zwei schoss. Nur rund 1400 Fans im alten Stockholmer Olympiastadion sahen die Treffer, so wenige, dass die Potsdamer Spielerinnen sogar die 75 eigenen Fans heraushörten. 475 Euro hatten sie für die zweitägige Reise gezahlt. Eine Investition, die sich gelohnt hat, findet Harald Müller, der 44-Jährige im Trikot von Anja Mittag („Die kommt wie ich aus dem Erzgebirge“). Die Stadt, die Sonne, der Sieg, „es war super“. Schon heute wird er Turbine im Karl-Liebknecht-Stadion wieder anfeuern, im Bundesliga-Spiel gegen den FC Bayern München (17 Uhr). Da wird es wohl wegen der frühen Anstoßzeit ähnlich leer sein. Aber billiger.
Helen Ruwald