Sport: Ein Kampf um Reflexe
Die Revanche könnte besser sein als der Fight vor zehn Jahren – weil beide langsamer geworden sind
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Für einen Mann ist 43 ein gutes Alter. In aller Regel steht er dann mitten im Leben, seine Lebensgeister sind meist noch hellwach. Die eigene Gesundheit wird für ein Abenteuer nicht mehr ohne Weiteres aufs Spiel gesetzt. Vorausgesetzt, man ist kein Boxer.
Ihre Gesundheit stellen nun zwei Herren im Alter von 43 Jahren zur Disposition. Henry Maske hat zehn Jahre und vier Monate nach seinem letzten Kampf und seiner einzigen Niederlage erneut den Amerikaner Virgil Hill herausgefordert. Heute stehen sich beide in der mit 12 500 Zuschauern ausverkauften Münchner Olympiahalle gegenüber. Ganz unabhängig davon, dass niemand außer Maske nach diesem Rückkampf gerufen hat, ist nicht gerade ein sportlich hochklassiges Duell zu erwarten. Kritiker sprechen von Seniorensport, wobei das Gefährliche daran nicht per se das Alter sei. Sondern die Sportart.
Das erste Aufeinandertreffen im November 1996 war ein für zwei Weltmeister unwürdiges Gewürge. Maske und Hill, beide vom Typ eher taktierende Manöverboxer, passten schon damals nicht gut zueinander. Warum sollte es zehn Jahre später besser werden, wenn beide ihren Leistungszenit lange überschritten haben? Es ist vielleicht makaber, aber genau darin liegt die Chance, dass es jetzt packender zugehen könnte als vor zehn Jahren. Die Stärke der beiden war es immer, aus einer defensiven Grundhaltung zu operieren. Hill und Maske haben ihre Gegner nicht k.o. geschlagen, sondern sie über die Kampfdistanz zermürbt. Der Boxerjargon hält für diesen Stil ein Wort parat: Stinker. Solche Boxer lassen einen Boxkampf im herkömmlichen Sinne gar nicht erst entstehen. Maske und Hill, ausgestattet mit hervorragenden Reflexen und einem hohen Antizipationsvermögen, schlugen in ihrer Blütezeit als Boxer gekonnt in die Aktionen ihrer Gegner hinein, was den Angriffen meist die Wirkung nahm.
Der Zwölf-Runden-Kampf von damals, den Maske mit 1:2 Richterstimmen verlor, war Schach mit Fäusten. Für das Nicht-Fachpublikum, und das war die Masse der zahlenden Zuschauer und der Millionen Fernsehgucker, war der Kampf ein Langweiler. Die Kontrahenten tänzelten umeinander herum, stets auf der Lauer nach einer Lücke in der Deckung des anderen. Beide boten wenig Lücken, sodass es kaum zu Treffern kam. „Der Fight von 1996 hatte überhaupt keinen Sieger verdient“, sagt Henry Maske heute. Und Ulli Wegner, der Weltmeistertrainer aus Berlin, geht sogar noch einen Schritt weiter: „Der erste Kampf der beiden war ja nicht der beste – diesmal erwarte ich auch nicht viel mehr.“
Doch dieses Mal liegen die Dinge anders. Die Reflexe sind nicht die, die sie einmal waren. Denn Reflexe lassen sich nur bedingt trainieren. Ähnlich verhält es sich mit dem Distanzgefühl. Genau aus diesem Grund könnte es für beide gesundheitlich riskant werden. „Bei beiden haben die Reaktionen nachgelassen, deshalb werden beide öfter getroffen“, sagt Maskes früherer Manager Wilfried Sauerland, der generell gegen solche Comebacks ist. Ähnlich sieht es Sauerlands deutscher Konkurrent, der Hamburger Promoter Klaus-Peter Kohl: „Ich halte nichts von dem Kampf. Ich hoffe nur, dass sich Henry gewissenhaft vorbereitet hat.“
Eine entscheidende Frage lautet, wie Maske die lange Ringabwesenheit verkraftet hat. Mehr als zehn Jahre hat er keinen Wettkampf bestritten und sich mit Joggen fit gehalten. Das zurückliegende Jahr aber nutze er zu einer umfangreichen, gründlichen Vorbereitung. Er bestritt Testkämpfe mit einem echten Kampfgericht, also mit Ring- und Punktrichter. Das aber kann einen regelmäßigen Wettkampf-Rhythmus, den Hill vorweist, kaum aufwiegen. Hill, der Sieger des damaligen Titelvereinigungskampfes (Maske war IBF-Weltmeister, Hill WBA-Champ), hat seit dem Kampf elf Kämpfe bestritten. Im Januar des vergangenen Jahres wurde er noch einmal Weltmeister im Cruisergewicht, der Gewichtsklasse zwischen Schwer- und Halbschwergewicht.
Die Aktivität spricht deutlich für Hill. Zudem lastet auf ihm kein Druck. „Henry hat viel zu verlieren“, sagte der Amerikaner, der fest von seinem Sieg überzeugt ist. Seine Börse soll 1,2 Millionen Euro betragen, die von Maske ist doppelt so hoch. Anders sieht es Maskes früherer Manager Sauerland. Natürlich sei Hill der Favorit, „aber Henry hat sich so intensiv vorbereitet, dass man ihm Chancen einräumen muss“.
Nervös sind beide. Virgil Hill hat seinen Beruf einmal so umschrieben: „Beim Boxen bist du immer einen Schlag vom Erfolg oder vom Desaster entfernt.“ Das gilt insbesondere für Männer über 40.
Was Henry Maske antreibt: Seite 3
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