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Sport: Eine Mutter in der heilen Welt - Paarläuferin Peggy Schwarz im Spagat zwischen dem Sport und den Mühen des Alltags

Heile Welt. So scheint es, wenn die Eiskunstläufer in die TV-Kameras lächeln.

Heile Welt. So scheint es, wenn die Eiskunstläufer in die TV-Kameras lächeln. Bei den gegenwärtig stattfindenden Europameisterschaften in Wien ist das nicht anders. Gestern drehten sich die Paare auf dem kalten Parkett um die Gunst der Preisrichter. Auch das Berliner Weltklasse-Duo Peggy Schwarz und Mirko Müller lächelte fröhlich in die Kameras. Für die blonde Peggy war das der zehnte EM-Auftritt ihrer Laufbahn. Schon 1988 schwebte sie mit ihrem ersten Partner Alexander König zu EM-Bronze. Nach Olympia 1994 beendete sie nach 20 Jahren Eislauf-Praxis ihre Laufbahn, begann ein Studium. Die Zeit auf den schmalen Kufen schien Geschichte.

Sohn Michele kam zur Welt. Ein Filmangebot als Eisläuferin in einem Krimi lockte die junge Mutter wieder aufs Eis. Aber die Rolle verlangte Training. "Und plötzlich spürte ich, dass ich eigentlich viel zu früh meine Laufbahn beendet hatte. Das Eislaufen machte mir trotz des harten Trainings wieder Spaß", erzählt die Eiskunstläuferin. Das war 1996. Zu der Zeit suchte auch Mirko Müller eine neue Partnerin. Versuche mit der Russin Jekaterina Silnitzkaja und der Französin Emile Gras waren danebengegangen. Mirko war deshalb froh, dass sich die bewährte Paarläuferin Peggy Schwarz noch einmal in die harten Schlittschuhstiefel zwängte. Eine Zeit gemeinsamer sportlicher Freuden begann. Doch hinter Glimmer und Glamour versteckt die tapfere Peggy manche Sorge.

Die Paarläuferin ist nicht Katarina Witt, die Millionen verdient. Peggy muss sich und ihren vierjährigen Sohn mit dem Sporthilfe-Salär und eher spärlich tröpfelnden Sponsorengeldern über Wasser halten. Die Miete für die "Plattenwohnung" in Hohenschönhausen hält sich zum Glück noch in Grenzen. Trotzdem muss Peggy scharf rechnen und haushalten. Sie klopfte deshalb beim Jugendamt in Hohenschönhausen an, ob ihr während der EM ein bisschen mit Pflegegeld für eine Aushilfsmutti unter die Arme gegriffen werden könne. Die coole Antwort, so sagt Peggy: "Lassen Sie das Eiskunstlaufen sausen und suchen Sie sich einen Sechsstunden-Job." Ziemlich herzlos, fand die Kufen-Mutti. Aber ein Jahr Trainingsmühen gemeinsam mit ihrem Partner Mirko Müller wollte die 28-Jährige nicht in den Sand setzen.

Also guckte sie sich in ihrem Bekanntenkreis um und hatte Glück. Die Familie Hilpert aus Hohenschönhausen nahm ihren Michele für die Zeit der EM in Pflege. Peggy glücklich: "Die Hilperts haben selbst drei Kinder. Mit Hendrik geht einer der Drei in dieselbe Kita und dieselbe Eislaufgruppe wie Michele. Das passt gut." Micheles Vater, der Fußballspieler Heiko Brestrich, konnte als Aufsichtsperson nicht einspringen. Inzwischen von Peggy getrennt, verdient er derzeit beim VfB Leipzig sein Geld. Und mit Oma Schwarz sind die Fronten zwischen Mutter und Tochter verhärtet. Da kann sich wohl jeder in die Lage des Eisstars versetzen, wenn die nette, junge Sportlerin ernsthaft darüber nachdenkt, ob sie die schöne, bisweilen aber auch erbarmungslose Eiskarriere noch bis Olympia 2002 durchhält. Sie wäre dann als Paarläuferin mit fünf Olympiastarts in der Welt unerreicht.

Denn auch der normale Alltag ist kein Zuckerlecken für die Olympia-Kandidatin. Um 8 Uhr bringt sie Michele in die Kita; dann bitten ihr Partner und Trainer Knut Schubert in der Eishalle zum Training. Danach muss Peggy meist wegen der seit zwei Jahren lädierten Hüfte in die Sportmedizin. Danach geht es wieder auf das Eis. Um 17 Uhr wartet Michele in der Kita schon ungeduldig auf die Mutti. Da ist durchaus die Frage erlaubt, warum Peggy die Schlittschuh nicht einfach hinwirft.

Einfach gesagt. Aber wovon soll die Minifamilie dann leben? Die Ausbildung als Erzieherin hatte Peggy einst abgebrochen. "Weil die Dreifach-Belastung als Leistungssportlerin, Mutter und Studentin einfach nicht zu bewältigen war."

Fred Nell

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