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Sport: Enten auf Eis

Deutschlands Eishockeyteam blamiert sich zum WM-Auftakt beim 1:2 gegen Außenseiter Kasachstan

Schwere Musik füllte die Wiener Stadthalle. Bläser, Streicher, Schlagzeug, irgendetwas zwischen Wagner und Schostakowitsch, und das in der Stadt des heiteren Mozart. Gespielt wurde die kasachische Nationalhymne. Das passiert bei Eishockey-Weltmeisterschaften nicht allzu oft, weil dort immer nur die Hymne des Siegers erklingt, und kasachische Siege sind rar. Insgesamt zwei kannte die WM-Geschichte bis zum Sonntag, bis zum 2:1 über die deutsche Nationalmannschaft. Deren Repräsentanten schauten ins Wiener Nirgendwo, während die Kasachen stolz ihr Lied von Söhnen der Ehre und Opfern für die Freiheit sangen. Der Berliner Sven Felski schüttelte immer wieder den Kopf. Wie konnte das nur passieren?

„Wir wollten doch …“, seufzte Stürmer Jochen Hecht. „Wir wussten doch …“, sinnierte sein verteidigender Kollege Jan Benda. Kasachstan ist die Nummer 17 der Weltrangliste, es gibt 1800 Spieler und sieben Eishallen. Ein größerer Außenseiter lässt sich bei dieser WM schwer finden. Bundestrainer Greg Poss hatte das Spiel gegen die Kasachen vielleicht einen Ton zu laut zum richtungsweisenden bei dieser WM hochgeredet. Jetzt wissen seine Spieler, in welche Richtung es gehen könnte: nach Westen, nach Innsbruck, wo am kommenden Dienstag die beiden letzten Spiele der Abstiegsrunde stattfinden. Zwei Mannschaften verabschieden sich nach dieser Weltmeisterschaft in die B-Gruppe, und nach den Eindrücken vom Sonntag ist keineswegs auszuschließen, dass die Deutschen dazugehören.

Das Problem war ja nicht nur die Niederlage, es war ihre Entstehungsgeschichte. Da war kein Esprit im Spiel, keine Fantasie. Zuweilen wirkte es, als hätten die Deutschen ihre Laufwege eine halbe Stunde vor dem Spiel einstudiert, so oft rannten sie sich gegenseitig über den Haufen. Wer drei Stunden zuvor den Tschechen und Schweizern bei ihrem schnellen und technisch anspruchsvollen Spiel zugeschaut hatte, kam schwerlich auf die Idee, dass diese beiden Mannschaften mit den Deutschen im selben Wettbewerb streiten. Es spricht für den Charakter der deutschen Spieler, dass niemand das schlechte Eis in der warmen Stadthalle als Entschuldigung anführte. Der Wasserfilm über dem Eis macht den Puck langsam, aber er lässt ihn nicht über das Schlägerblatt hüpfen, wie es bei den Angriffsversuchen der deutschen Spieler immer wieder zu beobachten war. Und die Hitze in der Stadthalle war auch kein gutes Argument für einen bedingungslosen Sturmlauf und die damit einhergehende Preisgabe jeglicher Defensivprinzipien. Das kostete viel Kraft und ermöglichte den Kasachen immer wieder beste Chancen im Konterspiel. „Hurra, die Enten!“, nennt man in Bayern dieses sorglose Voranstürmen. Anders als bei der richtigen Entenjagd rufen beim Eishockey selten die Jäger Hurra.

Greg Poss weiß, dass diese Spielweise intern vor allem ihm angelastet wird. Der neue Bundestrainer hat seinen Amtsantritt stets als einen Mentalitätswechsel verkauft, weg vom sturen Defensiv-Eishockey seines Vorgängers Hans Zach, hin zu mehr Mut, Risikofreude und Schönheit. Mit mehr Ästhetik zu mehr Erfolg – das hat am Sonntag überhaupt nicht funktioniert. Heute nun haben es die Deutschen im zweiten Vorrundenspiel mit den grandiosen Individualisten Tschechiens zu tun, angeführt von Jaromir Jagr, dem teuersten Eishockeyspieler der Welt. Im – wahrscheinlichen – Falle einer Niederlage könnte es am Donnerstag gegen die Schweiz (20.15 Uhr, live im DSF) eine letzte Chance geben, den Gang in die Abstiegsrunde noch zu vermeiden.

Die Schweizer waren am Sonntag beim 1:3 gegen Tschechien dicht an einer Überraschung dran. „Aber sie können genauso gegen die Kasachen verlieren wie wir“, sagte Poss und flüchtete sich in weitere Allgemeinplätze: Immer nach vorn und nie nach hinten schauen, der Charakter stimmt, noch ist nichts entschieden. Sein perspektivisches Schlusswort: „Wir müssen jetzt unser bester Freund sein.“

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