Sport: Frust der Talente
Bei der deutschen Meisterschaft in Berlin bangt der Basketball-Nachwuchs um seine Zukunft
Die Mutter ist völlig fertig. Was war das für ein Spiel, spannend bis zuletzt, bis in der Verlängerung die Entscheidung fiel. Sie hat permanent geklatscht, ist heiser vom „Defense“ schreien auf der kleinen Tribüne der stickigen Carl-Schumann-Sporthalle. Sie krächzt: „Mein Sohn hat es geschafft! Toll!“ Mit dem TV Langen hat er am Ende 101:92 gegen die Mannschaft der Internationalen Berliner Basketball Akademie (IBBA) gewonnen. Es war das Halbfinale der Deutschen Meisterschaft, die an diesem Wochenende für die Unter-20-Jährigen (Titel an Ludwigsburg) und Unter-16-Jährigen stattfand. Jürgen Barth, Trainer der U16 vom TV Langen, sagt: „Dieses Spiel war Werbung für den deutschen Jugendbasketball!“ Es ist wohl diese Begeisterung der Grund, warum er noch immer Basketball-Trainer ist. Schon seit über 20 Jahren. Barth lebt den Jugendbasketball. Deswegen schmerzt ihn auch, dass deutschen Talenten oft die Perspektive fehlt. Oder der Biss. Dann, wenn sie 18 oder 19 sind und so langsam den Sprung in den Profibereich schaffen sollten. „Das ist eine Qual, und es gibt nicht viele, die sich quälen wollen“, sagt Barth. Der 1985er-Jahrgang etwa wurde mit Barth vor zwei Jahren Jugendmeister, viele gute Spieler waren dabei. Mittlerweile haben vier mit dem Basketball aufgehört, weil sie keine Lust mehr hatten, nach der Schule täglich zu trainieren. „Das ist bitter“, sagt Barth.
Aber selbst wenn ein junger Spieler gewillt sei, den Sprung zu schaffen: Welcher Bundesligaklub gibt ihm eine Chance? „Die Zahl der Ausländer in den Vereinen muss begrenzt werden“, sagt Barth, „die deutschen Klubs müssen bereit sein, eigenen Talenten zu vertrauen.“ Just am selben Tag, als Barth diese Worte spricht, hat die Basketball-Bundesliga (BBL) die Ausländerbegrenzung ganz aufgehoben und zugleich eine ansteigende Quote deutscher Spieler beschlossen. In der nächsten Jahr müssen in der BBL ein deutscher Spieler auf dem Spielberichtsbogen und zwei auf dem Mannschaftsmeldebogen stehen. So können theoretisch in der kommenden Saison elf US–Amerikaner mit einem deutschen Spieler antreten.
Alba Berlin, sagt Henning Harnisch, will Talenten vertrauen. Der Team-Manager des Klubs sitzt neben Barth am Spielfeldrand und beobachtet die nächste Partie. Harnisch lacht, es ist kurios, dieser Jürgen Barth war mal sein Trainer. In der C-Jugend, in Marburg. „Solche Unermüdlichen brauchen wir“, sagt Harnisch. Nur: Unermüdlich müssten auch die Nachwuchskräfte sein, um eine Chance zu bekommen. „Das ist ein Geben und Nehmen. Wir bieten das Umfeld, aber wir fragen die Jungs: Könnt ihr uns auch was bieten?“ In den vergangenen vier Jahren war das bei Alba offenbar nicht der Fall. Auf Profinachrücker aus dem eigenen Reihen, vom Ausbildungsverein TuS Lichterfelde, wie Mithat Demirel oder Stefano Garris folgte niemand. Vier Jahre lang. Nun stehen mit Sascha Leutloff und Robert Kulawick wieder zwei Talente im Profikader von Alba. Kulawick wurde am Sonntag mit der U20 von Lichterfelde nur Dritter der Meisterschaft. „Die Bundesligatrainer sollten mehr Vertrauen in die Nachwuchsspieler haben“, sagt Kulawick.
„Es ist eine feine Linie“, sagt Henning Harnisch, „zwischen einer guten Ausbildung und der Gefahr, zu viel zu machen.“ Das Niveau sei dabei weniger wichtig als die Intensität, und ja: der Spaß. „Denn am schönsten ist doch zu sehen, wie die Kids auf der Straße mit ihren eigenen Regeln spielen“, findet Harnisch. Und das ist eben der Spagat, den auch die Internationale Berliner Basketball Akademie versucht. Hart an sich arbeiten, ohne die Lust zu verlieren. 1999 wurde die Akademie gegründet. Talente aus ganz Berlin werden gezielt ausgebildet, wie in einem Leistungszentrum. „Das ist ja praktisch ein Alba-Programm“, sagt Harnisch. Und: „Wir würden am liebsten jedes Jahr ein eigenes Talent hochholen.Wir haben Lust auf Talente!“
Patrick Bauer