Sport: Fünfmal im Finale, fünfmal verloren
Die deutschen Tischtennisspieler wollen bei der Europameisterschaft endlich den Titel
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Berlin - Im letzten Sommer machte die Popband Sportfreunde Stiller mit ihrem Hit zur Fußball-WM eine Zahlenfolge populär: „54, 74, 90, 2006“. Vermutlich hat die Band damals nicht gewusst, dass beim Tischtennis eine ähnliche Zahlenfolge existiert: 1980, 1990, 2000, 2002, 2003. So könnte ein neues Lied heißen. Mit dem Unterschied: Es hätte die Europameisterschaft zum Inhalt – und es müsste wohl ein trauriges sein.
Denn im Tischtennis stehen diese Jahreszahlen nicht für vergangene oder erhoffte Titel. Sie stehen für fünf Final-Niederlagen. Schlimmer noch, in der 48-jährigen EM-Geschichte gewannen Männer noch nie den Mannschaftstitel. Die ersten vier Male war Schweden zu stark, das letzte Mal war Deutschland gegen den Außenseiter Weißrussland zu schwach. Ab heute startet der WM-Dritte von 2006 nun einen weiteren Versuch. Das Team um den Weltranglisten-Vierten Timo Boll gehört bei der EM in Belgrad erneut zu den Titelkandidaten.
Doch das sagt nichts aus. „Deutschland zählt bei den Europameisterschaften immer zu den Favoriten“, sagt Rekordnationalspieler Jörg Roßkopf. Allerdings trifft Deutschland bereits in der ersten Runde auf den WM-Fünften Frankreich. Schon im Viertelfinale könnte es zu einem Duell mit dem Team Weißrusslands um den Einzel-Titelverteidiger Wladimir Samsonow kommen.
Wie immer in den letzten Jahren ruhen die deutschen Hoffnungen auf ihrem Spitzenspieler und zweifachen Weltcup-Sieger Timo Boll. Der macht aber kein Geheimnis daraus, dass er eigentlich die einen Monat später beginnende WM in Zagreb im Kopf hat. Immerhin versucht er einen Spagat: „Ich will das Gesetz auf den Kopf stellen und bei beiden Turnieren gut spielen.“ Bisher hat noch kein Europäer bei beiden Turnieren, die so kurz hintereinander stattfanden, gut gespielt. Und dem Einzel-Europameister 2002 fehlt eine Einzel-Medaille bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen.
Die hat Jörg Roßkopf bereits. Der 38 Jahre alte Olympia-Dritte von 1996 hat in Belgrad andere Prioritäten. „Auch bei meiner elften Teilnahme ist eine EM im Mannschaftswettbewerb noch etwas Besonderes“, sagt er. Doch gerade Roßkopf steht für die vergebenen EM-Chancen der letzten Jahre, als er gegen schwächere Spieler verlor und so die Teamniederlagen einleitete. Es hagelte erhebliche Kritik an ihm. Er solle endlich den Jüngeren Platz machen. Mit dem 26-jährigen Bastian Steger, dem 18-jährigen Dimitrij Owtscharow und dem 21 Jahre alten Christian Süß stehen die auch im Aufgebot für Belgrad. Doch Süß, der sich bei der Team-WM 2006 bereits als Nummer zwei hinter Boll etabliert hatte, befindet sich in seiner ersten Krise. Wegen mangelnder Einstellung nahm ihn Bundestrainer Richard Prause vor einem Monat aus dem Pro-Tour-Turnier in Kuwait, obwohl er noch an der Seite von Roßkopf im Wettbewerb war.
Süß nahm die Kritik an, trainierte hart – und verlor vor zwei Wochen bei den Deutschen Meisterschaften in der ersten Runde.
Jörg Petrasch
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