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SV Tasmania - Tennis Borussia (2:4), Fans von TeBe

© imago images / Matthias Koch/Matthias Koch

Für immer TeBe: Warum ich gern zur fünften Liga ins Mommsenstadion gehe

Unser Schülerpraktikant Lion Moser verrät, warum ein Teenager in seinem Alter ausgerechnet Fan des Amateurfußball-Vereins Tennis Borussia ist.

Von Lion Moser

Stand:

Kaum konnte ich laufen, lief ich schon den matschigen Weg von der S-Bahn-Station Messe Süd/Eichkamp ins Mommsenstadion, damals eher an der sehr guten Stadionwurst als am Spiel interessiert. Natürlich spielte mein Vater dabei eine Rolle, er ist Tennis-Borussia-Fan, seit die Mannschaft in der 2. Bundesliga gespielt hat.

Aber warum bin ich bei dem Verein geblieben, trotz aller Abstiege, und nicht zu Hertha gegangen? Das mit Hertha und mir ist so eine Geschichte. Ein guter Freund von mir ist treuer Herthaner und hat mich einmal ins nicht ganz ausverkaufte Olympiastadion mitgenommen. Es waren mir damals zu viele Leute mit zu viel Bier: Bei TeBe ist meistens nicht ganz so viel davon im Spiel.

Dazu kam noch, dass ich dank meiner langen Haare bei Hertha immer für ein Mädchen gehalten wurde und mir Sachen anhören musste wie „Ha geil, ein …(rülps) … ein Mädchen auf der Jungs-Toilette“ oder „Ach, diese jungen Mädels sind ja so nett“, nachdem ich für jemanden Platz gemacht hatte.

Also Hertha war nicht mein Verein, von Union wusste ich ehrlich gesagt lange nicht, dass es die überhaupt gibt. Außerdem ist Köpenick viel zu weit weg von Schöneberg, wo wir wohnten. Bei anderen Vereinen in Berlin ist man dann relativ schnell im Amateurfußball. Und bei den Amateuren gibt es diesen schön lila-bunten Verein, in einem sehr schönen Stadion und mit sehr sympathischen Fans. Also wurde es für mich TeBe.

Die Atmosphäre bei TeBe ist ganz anders als zum Beispiel im Olympiastadion. Viel familiärer und heimischer. Man kauft sich für 11 Euro eine Karte bei der etwas grummeligen, aber sehr netten alten Dame im sehr kleinen Tickethäuschen. Dann kommt direkt rechts die Würstchenbude mit den schon erwähnten besten Stadionwürsten der Stadt.

Als Nächstes dann die große Entscheidung: Geht man zu den älteren Herren auf der Tribüne, die wahrscheinlich schon bei der Gründung der Vereins 1902 dabei waren, oder geht’s lieber rüber zu den Stehplätzen und den aktiven Fans? Bei uns sieht der Kompromiss meistens so aus: eine Hälfte bei den Herren, bei denen sich mein (nicht ganz so alter) Vater wohlfühlt, und die andere Hälfte bei den Fans auf den Stehplätzen, bei denen ich am meisten Spaß habe.

Insgesamt finde ich den Amateurfußball deutlich sympathischer als den Profifußball. Erlebnisse wie das Abklatschen der Mannschaft nach dem Spiel oder die Nähe zum Spielfeld hat man beim Profifußball nicht. Humorvolle Zwischenrufe wie „Der hat mal höher gespielt“, „Hubschraubereinsatz“, „Du kannst zu Hertha gehen“ oder „Trainer bitte einwechseln“ von der Tribüne hört man bei Hertha selten. Da wird dann lieber der Stinkefinger in den Himmel gestreckt.

Gegründet wurde der Verein vor 122 Jahren übrigens als Ping-Pong-Gesellschaft. Aber es stellte sich schnell heraus, dass Fußball besser ankommt als Tischtennis. Nach frühen Erfolgen in den 1920er Jahren mussten während der Nazi-Zeit die damals zahlreichen jüdischen Vereinsmitglieder „austreten“. Heute erinnert der Verein oft selbstkritisch an die Hitler-Jahre und an die Mitglieder, die im Konzentrationslager ermordet wurden.

TeBe ist schon lange ein sehr bunter, toleranter und diverser Verein. Was erklärt, warum lange Haare hier kein Ding sind. Auch schwul oder lesbisch zu sein, war und ist kein Problem bei TeBe. Früher wurde den TeBe-Fans häufig „Lila-weiß ist schwul“ zugerufen. Aber wie vieles andere drehten sie auch das ins Positive und riefen zurück: „Ja und?“

Der TV-Entertainer Hans Rosenthal, hier bei seiner „Dalli Dalli“-Sendung, war von 1965 bis 1973 TeBe-Präsident.

© dpa/Istvan Bajzat

Und da ist diese eine Person, die TeBe maßgeblich geprägt hat, Hans Rosenthal. Auch seine jüdische Familie wurde von den Nationalsozialisten verfolgt, der Fernseh-Entertainer engagierte sich später im Zentralrat der Juden – und er war von 1965 bis 1973 TeBe-Präsident. Bis heute wird nach jedem Tor „Wir sind der Meinung, das war Spitze“ gerufen, der Spruch stammt aus seiner Show „Dalli Dalli“. Rosenthal ist einer der Hauptgründe, warum der Verein so bunt und divers ist. Deshalb wird auch regelmäßig an ihn erinnert, mit diesem Video nach jedem Tor, in dem er seine berühmten Luftsprünge macht.

Die Sache mit Jens Redlich

Außerdem wären da noch die schon erwähnten Fans. Beispielsweise die Geschichte mit Jens Redlich, dem Ex-Vorstand. Der hatte es sich mit den Fans sauber verscherzt. Die Konsequenz? Er muss gehen, klar, aber wie kriegen wir das hin? Wir streiken! Keine TeBe-Spiele mehr! Nur, wohin stattdessen?

Logo des Berliner Vereins Tennis Borussia Berlin, Foto: Promo

© Promo

Also wurde eine Anzeige in der Zeitung geschaltet: „Kleine engagierte Fan-Szene sucht vorübergehend Verein, der für eine demokratische Kultur und gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie einsteht“. Plötzlich kamen über 200 Fans beispielsweise zu Spielen des FSV Hansa Berlin 07 oder ähnlich kleinen Vereinen, bei denen die Besucherzahl normalerweise im Bereich zwischen 10 und 50 liegt.

„Kein E-Block, kein Bier vom Biber, kein Hans Rosenthal auf der Anzeigetafel: Natürlich fiel es schwer, auf TeBe-Spiele zu verzichten und für andere Teams zu singen. Immerhin durften wir im Exil aber den Spirit verbreiten, der Tennis Borussia jahrzehntelang ausmachte. Wir konnten für unseren Verein werben und Lust auf bessere Zeiten machen“, schrieb der Verein auf seiner Website. Jetzt, wo keine Fans mehr kamen, sanken die Einnahmen, es lief nicht mehr. Also sah sich Jens Redlich gezwungen zu gehen. Kaum war er weg, waren die TeBe-Fans beziehungsweise die „Caravan of Love“, wie sie sich nannten, wieder da.

Ich finde, Amateurfußball ist eine runde Sache, ich bleibe bei TeBe. Weil es eben weniger um Geld und Erfolg geht, von dem TeBe echt nicht viel hat, sondern um Spaß, um Fairness und die Liebe zum Verein.

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