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Da geht's lang zur WM: Julian Nagelsmann beim Training in Herzogenaurach.

© Federico Gambarini/dpa

Fußball-Nationalmannschaft: Zwei Jahre Nagelsmann: Wo endet die wilde Achterbahnfahrt?

Exakt zwei Jahre ist Julian Nagelsmann Bundestrainer. Ein stetes Auf und Ab prägt seine Amtszeit. Krönen will er seine Arbeit dort, wo sie begann. Dafür muss er aber jetzt wieder Pragmatiker sein.

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Julian Nagelsmann war schon lange vor seinen Spielern auf dem Trainingsplatz. Der Bundestrainer kann es kaum erwarten, nach dem ernüchternden Fehlstart in die WM-Qualifikation die neuen Zweifel an der Fußball-Nationalmannschaft und auch an seinem Wirken auszuräumen. 

Im Stadion in Sinsheim, wo der 38-Jährige vor fast zehn Jahren bei der TSG Hoffenheim als jüngster Bundesliga-Coach fulminant durchstartete, will er die DFB-Auswahl am Freitag (20.45 Uhr/ARD) gegen den Weltranglisten-96. Luxemberg wieder auf WM-Kurs bringen - Personalprobleme hin oder her. 

Weiter Warten auf Woltemade

Der von Übelkeit geschwächte Stammkeeper Oliver Baumann konnte an Tag zwei unter dem grauen Himmel in Herzogenaurach noch nicht am Torwart-Training teilnehmen. Und die Anreise des formstarken Angreifers Nick Woltemade verzögert sich weiterhin wegen eines grippalen Infektes. 

Genau zwei Jahre ist es jetzt her, dass Nagelsmann als Nationaltrainer loslegte. Und zum Zweijährigen stehen ihm gegen Luxemburg und danach in Belfast gegen Nordirland zwei Länderspiele bevor, die er unbedingt erfolgreich bestreiten muss. Er selbst hat „einen zu hundert Prozent zufriedenstellenden Lehrgang“ als Ziel ausgerufen. Übersetzt heißt das: Sechs Punkte müssen her. 

Angefangen hat Nagelsmanns DFB-Amtszeit im Herbst 2023 übrigens genau dort, wo der 38-Jährige nach der eigenen, maximal mutigen Zielvorgabe im Juli 2026 den goldenen WM-Pokal in Händen halten will: in Nordamerika. 

Mit einem 3:1 in Hartford gegen die USA und einem 2:2 gegen Mexiko in Philadelphia startete Nagelsmann seinerzeit verheißungsvoll. Er hatte sogar Mats Hummels nach über zwei Jahren in die Nationalelf zurückgeholt. Denn Nagelsmann dachte damals nur sehr kurzfristig bis zur Heim-EM 2024. 

Tristesse nach dem Stimmungshoch

DFB-Sportdirektor Rudi Völler hatte den nach seinem Rauswurf beim FC Bayern München monatelang vereinslosen Jung-Coach für den Nationaltrainer-Job und vor allem für das Turnierprojekt im eigenen Land begeistern können. 

Schon im November 2023 freilich begann die wilde Achterbahnfahrt, die bis in die Gegenwart anhält. Deutschland verlor gegen die Türkei (2:3) und Österreich (0:2) - und Nagelsmann reagierte mit einem Radikalumbau. Hummels war gleich wieder raus. Dafür kehrte Toni Kroos zurück. Die Heim-EM endete zwar zu früh im dramatischen Viertelfinale gegen Spanien. Aber ein Stimmungsumschwung im Land war auch Nagelsmanns Verdienst. Die Fans liebten ihre DFB-Elf wieder.

Es folgte eine gute Nations-League-Saison. Und beim 3:0 zur Halbzeit gegen Italien im Viertelfinal-Rückspiel (am Ende 3:3) schienen Nagelsmanns WM-Titelambitionen plötzlich keine Fantastereien mehr zu sein. Ein halbes Jahr später sind sie es wieder. Denn das stete Auf und Ab seiner Amtszeit setzte sich erst mit dem letzten Platz beim Finalturnier der Nations League und dann zuletzt mit dem Fehlstart in die WM-Quali beim 0:2 gegen die Slowakei fort. 

Nagelsmann-Fan Völler: „Wir lieben Julian“

Fans und Experten zweifeln immer wieder am Bundestrainer. Völler sieht in ihm aber weiterhin „einen Glücksfall“ für den DFB: „Wir lieben Julian genauso, wie er ist.“ Jung, forsch, dynamisch, angriffslustig. „Obwohl er noch jung ist, hat er eine Riesen-Trainervita“, sagt der ehemalige DFB-Teamchef Völler (65).

Aber kann Nagelsmann die Nationalmannschaft nach dem zweimaligen WM-Scheitern schon in der Vorrunde - 2018 unter Jochim Löw, 2022 unter Hansi Flick - wirklich zurück an die Weltspitze führen? Sein Punkteschnitt von 1,8 wird nur unterboten von Vorgänger Flick (1,72) und Ex-Teamchef Erich Ribbeck (1,5). 

52 Spieler, 19 Debütanten

Von höchsten WM-Zielen mag Nagelsmann als Lehre aus dem September lieber nicht mehr sprechen. „Wir wollen mehr ins Machen kommen und weniger ins Reden“, sagte er. Schon wieder hat er erkennen müssen, dass er Pragmatiker sein muss. Eine konkurrenzfähige WM-Wunschelf auf dem Papier entspricht nicht dem schnelllebigen Fußball-Alltag mit Verletzungen und Formkrisen. 

52 Akteure und 19 Debütanten in 25 Spielen

52 Spieler hat er in 25 Länderspielen eingesetzt, darunter 19 Debütanten. Zehn von den 19 zählen auch zum aktuellen DFB-Kader. Trotzdem bleibt Nagelsmann ein ewig Suchender. Was auch daran liegt, dass ihm permanent Fixpunkte wegbrechen. 

Kai Havertz wird aus Verletzungsgründen 2025 kein Länderspiel bestreiten. Jamal Musiala hat sich bei der Club-WM im Sommer schwer am Bein verletzt. Marc-André ter Stegen, als WM-Torwart vorgesehen, fehlte erst monatelang nach einem Patellasehnenriss und aktuell wegen einer Rücken-OP.

Das Dilemma: Viele Säulen verletzt

Torjäger Niclas Füllkrug stoppten ebenfalls mehrere Blessuren, Nagelsmann hat ihn nun nicht mehr nominiert. Der Gladbacher Mittelstürmer Tim Kleindienst fehlt wegen einer Knieverletzung. Immerhin ist Nico Schlotterbeck wieder zurück. Dafür fällt nun Vize-Kapitän Antonio Rüdiger in der Abwehr aus. 

Nagelsmann skizziert sein Dilemma mit einem Vergleich. Beim WM-Titel 2014 in Brasilien hätte das DFB-Team „viele Säulen“ gehabt. „Bei uns waren und sind viele Säulen verletzt.“ Trotzdem sagt er: „Es hilft nichts zu jammern.“ Er denkt bekanntlich lieber groß, auch wenn er es acht Monate vor der WM lieber nicht mehr öffentlich ausspricht.

© dpa-infocom, dpa:251007-930-132301/1

Das ist eine Nachricht direkt aus dem dpa-Newskanal.

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