Sport: Halblauter Abschied
Das Aus des FC Barcelona lässt das Ende einer Ära erahnen
Stand:
Am Ende des Lärms kam Samuel Eto’o noch einmal auf den Platz und schüttelte jedem traurigen Mitspieler die Hand. Das sollte wohl als große Geste der Demut verstanden werden; der bis zu seiner Auswechslung in der Halbzeit völlig wirkungslos gebliebene Kameruner beglückwünschte die Kollegen für die gerade noch akzeptable Leistung nach dem Wechsel. Die Szene stimmte jedoch nachdenklich, so kennt man das nicht: normalerweise fällt die Rolle des väterlichen Trostspenders in diesen Situationen dem Trainer zu, nicht formschwachen Angreifern.
Tatsächlich hatte Eto’os Begegnung mit den enttäuschten Kollegen bei genauerem Hinsehen in etwa die emotionale Wärme einer Abschiedsfeier im Büro – für einen ungeliebten Mitarbeiter, der endlich das Weite sucht. Ein 1:0-Auswärtssieg beim tief verteidigenden und wuchtig konternden, von 42 000 tief-roten Reds manisch nach vorne geschrieenen FC Liverpool ist im Grunde so unehrenhaft nicht. Barcas Trainer Frank Rijkaard hatte natürlich Recht, als er in erster Linie die 1:2-Hinspielniederlage für das Aus verantwortlich machte; im Nou Camp hatte man die Engländer mit fürchterlichen Fehlern quasi zum Auswärtssieg gezwungen. „Ich bin stolz auf diese Mannschaft, sie hat Charakter bewiesen“, sagte er nachher gleich drei Mal hintereinander, als ob er sich selbst von dieser Ansicht überzeugen wollte. Der Holländer wusste wohl, dass das Ergebnis seinem Team schmeichelte.
Genau zwei Torchancen in 90 Minuten, beide Male nach Stellungsfehlern der ansonsten unheimlich sicheren Abwehr der Liverpooler, zeugten von der mangelnden Schaffenskraft der müden Granden. Als der komplett enttäuschende Ronaldinho einen Ball volley unters Stadiondach hämmerte, schallte es tausendfach „wer bist du, wer bist du?“ vom Kop, der Tribüne der treuesten Fans. Die Frage war berechtigt. Die Leichtigkeit von Ronaldinhos Lächeln ist verschwunden.
Wenigstens dem Trainer konnte man Einfallslosigkeit nicht vorwerfen. Rijkaard ließ seine Männer in einem waghalsigen 3–4–3 auflaufen, das sich in der Schlussphase in ein nahezu todesmutiges 3–3–4 verwandelte. Diese Formation war zuletzt in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts populär, doch der Niederländer wollte damit vor allem die von Schönheit und Präzision gekennzeichneten Leistungen der Vorsaison beschwören. „Sie sind immer noch die beste Mannschaft Europas“, behauptete Liverpools Jamie Carragher, „sie auszuschalten ist ein beeindruckender Erfolg“. In die ewig säuselnde Stimme des Verteidigers mischten sich allerdings Untertöne des Zweifels und des Bedauerns.
„Es ist jetzt nicht die Zeit für große Analysen und Erklärungen“, sagte Rijkaard ausweichend, als er auf die Perspektive der Mannschaft angesprochen wurde. Aber als der wie immer vorbildliche Sportsmann kurz vor dem Abgang von osteuropäischen Fernsehleuten zu einem Souvenir-Foto genötigt wurde und Kapitän Carles Puyol mit Polizeieskorte als letzter, trauriger Mann den Bus bestieg, drängte sich der Eindruck auf, dass in diesem Achtelfinale eine Ära halblaut Abschied genommen hatte, die noch gar nicht so richtig begonnen hatte.
Klar, die von Fans jeglicher Couleur vor dem Stadion umschwärmten Decos, Messis und Ronaldinhos werden sicher auch in Zukunft zaubern. Fragt sich nur, ob zusammen: Rijkaard wird Amtsmüdigkeit nachgesagt, Eto’o hat ein lukratives Angebot von Liverpool vorliegen, Deco zieht es zum FC Chelsea. Die Zukunft dieser Mannschaft erscheint wie ein Relikt der Vergangenheit. Schon in zwei Tagen muss das ausgelaugte Team im Super-Clasico gegen Real Madrid antreten. Am Ende des Lichts wartet: ein Tunnel.
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