
© imago/Matthias Koch
Kaderumstellung: Hertha hofft auf die Jungen und verlässt sich auf die Alten
Hertha hat seinen Kader zuletzt verjüngt – derzeit zehren die Berliner aufgrund von Verletzungen und wegen ihrer Erfahrung allerdings von ihren Routiniers.
Stand:
Die Sonne brannte erbarmungslos, am Himmel hing keine einzige Wolke. Im Sommertrainingslager von Hertha BSC im brandenburgischen Neuruppin war die drückende Hitze aber nur ein potenzieller Grund dafür, dass es schwer fiel, dauerhaft den Überblick zu behalten. Ein anderer lag in der Tatsache begründet, dass das mitgereiste Aufgebot des Berliner Fußball-Bundesligisten beinahe die Stärke einer Football-Mannschaft erreichte; mehr als 30 Fußballer aller Altersklassen trabten seinerzeit täglich über das Feld. Das wiederum entsprach dem Kurs, den Pal Dardai seit seiner Amtsübernahme eingeschlagen und konsequent verfolgt hat: Unter dem Ungarn verjüngte Hertha den Kader jahrein, jahraus und testete entsprechend fleißig.
Mittlerweile haben die Berliner zahlreiche Spieler verpflichtet, denen eine große Zukunft prognostiziert wird und die eines Tages wahrscheinlich schwer zu halten sein werden, wenn finanziell lukrative Angebote ins Haus flattern: etwa das (derzeit verletzte) Innenverteidiger-Duo Karim Rekik und Niklas Stark, beide 23 Jahre jung. Oder Valentino Lazaro, den vielseitigen Flügelflitzer, der im März 23 Jahre alt wird. Oder die Hochbegabten aus der vereinseigenen Akademie wie Maximilian Mittelstädt (21), Arne Maier oder Palko Dardai, beide 19. Maier gilt gar als eines der größten Talente im deutschen Fußball und durfte in der vergangenen Saison noch bei der A-Jugend mitwirken, die Deutscher Meister wurde. Herthas Manager Michael spricht nicht ohne Grund von einer „sehr spannenden Mannschaft“.
Bei allem berechtigten Stolz wird diese Mannschaft derzeit allerdings von arrivierten und erfahrenen Spielern getragen; die Alte Dame setzt gewissermaßen auf ältere Herrschaften. Auch an diesem Samstag, beim Auswärtsspiel gegen den abstiegsbedrohten VfB Stuttgart (15.30 Uhr, live bei Sky), wird Trainer Dardai wieder auf die Kraft der Erfahrung vertrauen. Warum sollte er es auch nicht tun?
Kapitän Vedad Ibisevic, der gegen seinen früheren Klub das 100. Bundesliga-Spiel im Hertha-Trikot bestreiten wird, trifft auch im fortgeschrittenen Sportleralter von 34 Jahren mit großer Verlässlichkeit; acht Tore in 16 Pflichtspielen machen ihn zum gefährlichsten Berliner Spieler. Auf der anderen Seite des Feldes, also dort, wo Tore verhindert werden, sieht es nicht anders aus: Rune Jarstein ist seit Langem ein sicherer Rückhalt der Mannschaft; in Stuttgart könnte der Norweger zum dritten Mal in Folge ohne Gegentor bleiben – es wäre eine Premiere in Jarsteins Berliner Zeit.

© AFP
Dass die Chance darauf besteht, hängt wiederum mit Fabian Lustenberger zusammen; Herthas dienstältester Profi, einst wegen seiner Vielseitigkeit von Lucien Favre verpflichtet, gibt nach dem Ausfall des Duos Rekik/Stark seit Wochen einen formidablen Abwehrchef – unabhängig davon, wie sein Nebenmann heißt. Zwar fällt Salomon Kalou in Stuttgart wegen der Nachwirkungen einer Risswunde am Spann aus. Wie groß das Vertrauen in seinen populärsten Offensivspieler ist, verdeutlichte jedoch eine Aussage Dardais aus dieser Woche. Ob er Bauchschmerzen habe, Kalou trotz fehlender Trainingspraxis aufzustellen, wurde der Trainer gefragt. „Salomon kann auch spielen, wenn er gar nicht trainiert hat“, entgegnete Dardai.
Einer der erfahrenen Spieler, die bisher eher selten in dieser Saison zum Einsatz gekommen sind und sich – genau wie Lustenberger und Ibisevic – im letzten Vertragsjahr bei Hertha befinden, ist Per Skjelbred. Der Norweger steht sinnbildlich für den Teamgeist bei den Berlinern; trotz seiner überschaubaren Spielminuten hat er sich nie öffentlich beschwert und war zur Stelle, als er gebraucht wurde: Beim 2:0-Sieg über den FC Bayern etwa stand Skjelbred durchaus überraschend in der ersten Elf und zeigte eine starke Leistung.
Nach dem Ausfall Marko Grujics ist Skjelbred neben Ondrej Duda und Vladimir Darida einer von drei potenziellen Aufrückern für das Spiel beim VfB. Über seine neue Rolle im Team hat Skjelbred bereits im Sommer gesagt: „Für uns ältere Spieler bedeutet die Verjüngung auf jeden Fall: Wir müssen den Jungen zeigen, was okay ist und was nicht. Das ist unsere Pflicht als erfahrene Fußballer; den Nachwuchs ein bisschen korrigieren, nicht nur auf dem Platz, sondern auch im Leben.“
Die erfahrene Garde war es offenbar auch, die für die Vorweihnachtszeit ambitionierte Ziele ausgegeben hat: sieben Punkte aus den drei restlichen Spielen in Stuttgart, Leverkusen und gegen Augsburg – und damit drei mehr als gemeinhin von Dardai erhofft. „Wenn das klappt, gebe ich ein Essen für die ganze Mannschaft aus“, verspricht der Trainer, „und das würde ich sehr gerne tun.“ Im Gegenzug käme die Maßnahme sicher auch bei den Spielern gut an – egal, welchem Semester sie nun angehören.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: