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Hertha BSC - Pk Preetz und Funkel

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Kommentar: Hertha: Pech mit System

Hertha wollte eine sportliche Krise im Stile eines modernen Unternehmens bewältigen und hat dabei vergessen, die Basis mitzunehmen. Sven Goldmann über Herthas Krise auf und neben dem Platz

Die Wahrheit ist auf dem Platz. Auch wenn sie hässlich ist und daherkommt in der Gestalt von keulenschwingenden Schwachköpfen wie am Samstag im Olympiastadion, es bleibt doch die Wahrheit, und man sollte sich hüten, ihren symbolischen Wert zu unterschätzen. Die keulenschwingenden Schwachköpfe kommen ja nicht aus dem Nichts. Sie stehen auch für die stille Wut all derer, die nie auf die Idee kommen würden, einen Fußballplatz zu stürmen und die dennoch nicht einverstanden sind mit der Art und Weise, wie Hertha BSC die sportliche Krise verwaltet hat. Man darf das, was am Samstag passiert ist, nicht gleichsetzen mit Leidenschaft. Aber vielleicht wären Berlin die peinlichen Jagdszenen erspart geblieben, wenn die Anhängerschaft schon vor dem Spiel gegen Nürnberg ein wenig mehr Leidenschaft gespürt hätte. Auf dem Rasen, aber nicht nur dort.

Hertha wollte eine sportliche Krise im Stile eines modernen Unternehmens bewältigen und hat dabei vergessen, die Basis mitzunehmen. Vernachlässigt wurden die Befindlichkeiten all jener, die ihr Geld in Tickets investieren. Die Sorgen derer, für die Fußball mehr ist als ein Geschäftsmodell und die nichts wissen wollen von der Eventkultur des 21. Jahrhunderts. Auch an dieser Ignoranz ist der Versuch einer demonstrativ unaufgeregten Krisenbewältigung gescheitert.

Michael Preetz ist ein sympathischer Mensch und kluger Kopf, aber in seinem ersten Jahr als Geschäftsführer hat er wenige Argumente gesammelt dafür, es auch in einem zweiten Jahr mit ihm zu versuchen. Preetz hat eine nicht konkurrenzfähige Mannschaft zusammengestellt und sich beim ersten Gegenwind vom Trainer Lucien Favre getrennt. Auch die schnelle Rekrutierung von Friedhelm Funkel war seine Idee. Wer sieht, wie viel Zeit sich die Konkurrenz aus Bochum und Wolfsburg bei der Trainersuche nahm und nimmt, wird Preetz’ Personalpolitik schwerlich vom Makel der Panik freisprechen.

Es hat diese Verpflichtung des unaufgeregten Trainers Funkel gepasst zum unaufgeregten Stil des Managers Preetz. Was ausblieb, war der Erfolg, und das hat seine Gründe. Es geht dabei nicht um Glück und Pech, um Latten- und Pfostenschüsse, um nicht gegebene Elfmeter und regelwidrige Gegentore. Glück und Pech sind nur verstärkende Faktoren einer strukturellen Basis. Es war nicht allein Glück, dass Hertha in der vergangenen Saison lange Zeit um die Meisterschaft mitspielte, und der Abstieg in diesem Jahr wird nicht in erster Linie dem Pech geschuldet sein. Im vergangenen Jahr hatte Hertha auf dem Platz einen Plan. Wer wollte das ernsthaft für diese Saison behaupten?

In geistiger Übereinkunft mit Michael Preetz führte Friedhelm Funkel seine Mannschaft so unaufgeregt und damit auch scheinbar leidenschaftslos, wie diese sich auf dem Platz präsentierte. Für jeden Rückschlag fand er ein relativierendes Wort, nie schien die Lage bedrohlich zu sein. Bis zum Samstag war Hertha auf dem besten Wege, der harmonischste und unaufgeregteste Absteiger aller Zeiten zu werden. Immerhin das steht jetzt nicht mehr zu befürchten. Die Wahrheit ist auf dem Platz, auch wenn sie so hässlich ist und so überzeichnet daherkommt wie am Samstag im Olympiastadion.

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