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Sport: Hufe im Watt

In Duhnen findet das einzige Pferderennen auf dem Meeresgrund statt

Endlich erkennt man die Nordsee wieder. Die Wolken hängen tief über dem Meer, und es weht eine kräftige Brise. Der Sommer hält nach wochenlanger Hitze sein sonniges Gesicht versteckt. Schmuddelwetter über dem Strand des Cuxhavener Seebads Duhnen. Ideale Bedingungen, um mit einem Pferd gemütlich am Strand entlang den Dünen zu reiten. Doch in Duhnen war gestern kein Platz für Freizeitreiter. Da donnerten die Pferde mit hoher Geschwindigkeit über das Watt – beim einzigen Pferderennen auf dem Meeresgrund.

Seit über hundert Jahren treffen sich Pferde und Reiter einmal im Jahr zum Duhner Wattrennen. Traber, Galopper und Ponys laufen – wenn das Meer sich zurückgezogen hat und die Ebbe den Meeresgrund bloßlegt – um die Wette. Nach dem Hochwasser begann der Pegel zu fallen, und zwei Stunden später gab Neptun sein Reich für die Pferde frei. Er selbst fuhr mit seinem Gefolge im Gespannwagen vor. Brieftauben flogen über die Köpfe der 40 000 Zuschauer, von denen viele im Strandkorb saßen, und kündigten den Start des ersten Rennens an.

Zwölf Rennen sind es in den sechs Stunden, in denen das Wasser weg ist. Im letzten Lauf, einem Trabrennen, spritzt das Wasser unter den Sulkys schon hoch. Dann bringt die Flut das Meer zurück und damit auch das Ende für diese Veranstaltung. Zwischendrin, im achten Lauf, geht es für die Traber um das „Blaue Band des Meeresgrunds“. Das Hauptrennen hat sportlich durchaus Wert, es geht um 4000 Euro und ist gut besetzt. Sieger wird Peter Poen mit Xerox.

Die Galopprennen sind dagegen nur Füllprogramm. Der Boden eignet sich für gute Vollblüter nur mäßig. Der Boden ist zu weich, und die Rennpreise sind zu gering für die meisten Besitzer. Dem Zuschauer ist das egal. Gewettet wird trotzdem. Ohnehin ist der Renntag eher ein Familien- als ein hochgesellschaftliches Ereignis. Hochhackige Schuhe und schicke Kleider eignen sich für diesen Renntag nicht. Friesennerz ist angebracht. Allein deshalb, weil gelegentlich der Sand im hohen Bogen auf das jauchzende Publikum zufliegt. Wenn die Pferde über das Watt rasen, spritzt der Schlamm hoch, Pferde, Fahrer und Reiter sehen nach dem Rennen aus wie nach einer Moorbadtherapie. Vor einem Jahr, zum hundertjährigen Jubiläum, kam das Wasser sogar von unten und oben. Diesmal hielt das Wetter. Reiter und Pferde wurden lediglich von unten nass.

1902 wurde das Seebad Duhnen gegründet. Seitdem sind die Pferde 66-mal über das Watt gerannt. Heute ist das Pferderennen ein großes Ereignis in der Nordseeregion. Einen Tag lang – bis das Meer die Rennen beendet. Dann ist das Geräusch der Hufe im Watt verklungen, und der Takt der Wellen übernimmt für ein Jahr wieder die Klanghoheit.

Ingo Wolff

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