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© AFP

Claudia Pechstein: „Ich bin keine Oma“

Eisschnellläuferin Claudia Pechstein erklärt, warum der EM-Titel von Heerenveen eine Genugtuung ist.

Wie transportieren Sie den Siegerkranz von Heerenveen nach Hause, der hat ja einen Durchmesser von fast zwei Metern?



Ich hab’ ihn hinten dabei, er passt in den Kofferraum. Ich hab’ ein großes Auto.

Sie haben schon einige Siegerkränze gesammelt, der Europameistertitel war Ihr insgesamt 54. Titel. Wie ordnen Sie diesen Erfolg ein?

Ich bin sehr stolz, dass ich wieder einen Titel im Vierkampf geholt habe. Nach dem, was ich alles im letzten Jahr über mich lesen und hören musste, ist es eine Genugtuung. Für den Kopf und die Motivation für die nächsten Wettkämpfe ist es sehr viel wert. Es ist aber auch nur eine Zwischenstation auf dem Weg zur Einzelstrecken-Weltmeisterschaft in Vancouver und zu Olympia in Vancouver.

Sie werden im nächsten Monat 37 Jahre alt, im letzten Jahr ist Ihnen von außen der Rücktritt öfters nahegelegt worden. Haben Sie selber in manchen Momenten auch daran gedacht?

Schon sehr oft, ich glaube zehn Mal in den letzten zehn Jahren. Immer wenn es nicht ganz so gut läuft, überlegt man das. Doch im letzten Jahr haben mir das andere nahegelegt, aber das entscheide ich immer noch selber. Deswegen habe ich auch nach der WM in Berlin auf meiner Homepage meine Wut darüber rausgelassen. Umso schöner, jetzt so ein Ding zu holen. Ich weiß jetzt, dass ich definitiv in Vancouver bei Olympia am Start sein möchte.

Wo kam die Motivation in schlechten Zeiten her?

So viele schlechte Zeiten gab es bei mir auch nicht. Ich bin seit 1992 in der Weltspitze und habe nur letztes Jahr nicht auf dem Podium gestanden. Dabei habe ich auch da eine WM-Medaille im Team nach Hause gebracht, das vergisst man immer. Im Gesamtweltcup bin ich Zweite geworden, so schlecht war dieses Jahr auch nicht.

Setzen Sie sich nach diesem Erfolg mehr unter Druck und wollen nun auch eine Goldmedaille bei der Mehrkampf-Weltmeisterschaft in Hamar holen?

Eine Medaille will ich schon haben – aber Sie setzen mich doch jetzt unter Druck, wenn Sie so etwas fragen.

Gut, dann fragen wir lieber mal nach den Gründen für die aktuellen Erfolge.

Natürlich hartes Training. Ich habe vor zwei Jahren den Trainer gewechselt, das musste erst mal anschlagen. Das letzte Jahr war ein Jahr der Experimente, da war nicht zu erwarten, dass es gleich erfolgreich wird. Jetzt kennen mein neuer Trainer Peter Mueller und ich uns besser, mittlerweile weiß ich, woran ich bin. Er ändert manchmal spontan Dinge, da habe ich letztes Jahr erst mal gefragt, warum und wieso. Auf der anderen Seite weiß er inzwischen, dass ich manche Sachen in meinem Alter nicht mehr machen muss. Irgendwelche Sprünge oder Lauftraining. Das habe ich seit Jahren nicht mehr gemacht.

Welche Rolle spielt die Operation der Nasenscheidewand vor dieser Saison?

Das ist auch ein Baustein, der in das Puzzle reinpasst. Seitdem habe ich keine Erkältung mehr und bin gesund geblieben. Vorher war ich fast immer die gesamte Wintersaison erkältet. Es gab keine drei Wochen in Folge, in denen ich gesund war. Jetzt sind bei der Operation meine Atemwege frei geräumt worden.

Wie finden Sie eigentlich die Bezeichnung „Eis-Oma“, die Sie jetzt oft lesen mussten?

Natürlich nicht so gut. Ich bin keine Oma, ich habe ja noch nicht mal Kinder. Andererseits sollen die Journalisten schreiben, was sie wollen. Nachdem im letzten Jahr so viel Mist geschrieben worden ist, ist das noch glimpflich.

Hat nicht auch eine Eisschnelllaufkollegin diesen Begriff benutzt?

Die Niederländerin Paulien van Deutekom hat mich als „Super-Omi“ bezeichnet. Das greift natürlich jeder auf. Und mein Vater hat gestern auch so etwas gesagt. Na ja, ich habe ihn noch nicht persönlich darauf angesprochen, aber da kriegt er noch einen Spruch.

Da wir gerade beim Thema Omi sind – wie sieht denn Ihre Familienplanung aus?

Ich habe erst mal keine Zeit dafür, deswegen brauchen wir uns darüber erst mal nicht unterhalten.

Ist es ein Ziel von ihnen, Gunda Niemann-Stirnemann noch zu überholen, die erst mit 39 Jahren aufgehört hat?

Das Alter spielt keine Rolle, wenn ich mich gut und gesund fühle und die Leistung kommt, laufe ich weiter. Wenn nicht, höre ich auf. Jetzt bin ich die älteste Titelträgerin bei einer Europameisterschaft – das hat mich vorher nicht interessiert und interessiert mich jetzt auch nicht. Ich kümmere mich nicht darum, ob jemand älter war oder nicht.

Reicht dieser neue Motivationsschub bis zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014?

(lacht). Erst mal möchte ich über diese Saison reden. Jetzt kommt die Weltmeisterschaft in Hamar, ein Ort, an den ich gute Erinnerungen habe. Und dann die Einzelstrecken-Welmeisterschaft auf der Olympiabahn in Vancouver, da möchte ich wieder eine Medaille nach Hause bringen – dann können wir uns weiter unterhalten. Aber vielleicht erst einmal über Vancouver 2010.

Interview von Benedikt Voigt

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