Sport: „Ich bringe mehr Tiefe in den Kader“
Der neue Eisbären-Torhüter Olaf Kölzig über sein Debüt in der Deutschen Eishockey-Liga
Herr Kölzig, Sie mussten 34 Jahre alt werden, um als Nationaltorhüter Ihr Debüt in der Deutschen EishockeyLiga zu geben. Am Dienstag spielen Sie mit den Berliner Eisbären bei den Kölner Haien. Sind Sie ein bisschen aufgeregt?
Ein bisschen? Ich bin sehr aufgeregt und freue mich auf den Dienstag und das Spiel. In Köln haben sie ja eine Halle von NHL-Format. Und dann soll es ja zwischen den Haien und den Eisbären noch eine besonders große Rivalität geben.
Rivalität gibt es nun auch im Team der Eisbären. Seitdem Sie da sind, muss Oliver Jonas um seinen Arbeitsplatz als erster Torhüter fürchten.
Ich habe davon gehört, dass Oliver geschockt war, als er von meiner Verpflichtung erfahren hat. Deshalb habe ich sofort nach meiner Ankunft in Berlin das Gespräch mit ihm gesucht.
Was haben Sie ihm gesagt?
Dass ich nicht gekommen bin, um ihm seinen Job wegzunehmen. Ich bringe einfach nur mehr Tiefe in den Kader. Wir werden uns im Tor abwechseln, so wie Oliver das in der vergangenen Saison mit Rich Parent gemacht hat. Außerdem habe ich seit September nicht gespielt, da kann ich nicht erwarten, dass ich sofort die Nummer eins bin.
Sie durften am Wochenende auf hohem Niveau Spielpraxis sammeln. In Ihren drei Einsätzen für die deutsche Nationalmannschaft beim Turnier in Budapest haben Sie einen erstaunlich guten Eindruck gemacht. Eisbären-Trainer Pierre Pagé wird in der entscheidenden Phase der Saison den besseren Torhüter vermehrt einsetzen – und das werden wahrscheinlich Sie sein.
Es ist immer besser, wenn ein Team zwei gute Torhüter hat, gerade in den Play-offs. Und Oliver ist noch jung.
Und kann warten ...
Nein, so habe ich das nicht gemeint. Er muss vielleicht noch härter arbeiten, um noch besser zu werden.
Das ist leicht gesagt. Oliver Jonas wertet Ihre Verpflichtung als Misstrauensvotum gegen ihn. Wie hätten Sie an seiner Stelle reagiert?
Da muss ich nicht im Konjunktiv reden. Vor zehn Jahren habe ich als junger Torwart in der NHL eine ähnliche Situation erlebt. Bei den Washington Capitals begann ich die Saison 1994/95 als Nummer eins, dann hat der Klub plötzlich Jim Carey geholt ...
... einen ebenfalls jungen Torhüter, der damals als das größte Talent der NHL galt.
Ich war auf einmal nur noch Ersatzmann, Jim hat gespielt und ist ein Jahr später zum besten Torhüter der Liga gewählt worden. Für mich hat sich keiner mehr interessiert. Ich habe mich dann aber nicht mit meinem Frust beschäftigt, sondern die Situation als Herausforderung angenommen. Ich habe noch härter trainiert – mit dem Resultat, dass Jim 1997 nach Boston verkauft wurde und ich die Nummer eins in Washington war.
Sie verdienen in Washington sechs Millionen Dollar im Jahr und haben vor fünf Jahren die Vezina Trophy für den besten Torhüter der NHL bekommen. Aber einen Titel haben Sie dort noch nie gewonnen. Da passen Sie gut zu den Eisbären, die dem Meistertitel seit Jahren vergeblich hinterherlaufen.
Ich will dem Team helfen, dass sich das in dieser Saison ändert. Aber es ist verdammt schwer, einen Meistertitel zu gewinnen – egal, in welcher Liga. 1998 waren wir mit Washington so dicht dran, aber im Finale war Detroit dann auf den Punkt in Topform und hat den Stanley Cup gewonnen. So ähnlich war das im letzten Jahr wohl bei den Eisbären. Ich habe das Finale gegen Frankfurt gesehen.
Woran lag es Ihrer Meinung nach, dass die Eisbären nicht Meister wurden?
Darüber will und kann ich mir kein Urteil erlauben. Aber ich weiß, dass wir in dieser Saison eine Mannschaft haben, die Meister werden kann. In der Kabine herrscht eine überragende Stimmung. Das sind alles gute Leute, viele kenne ich ja auch schon länger.
Zum Beispiel Ihren Freund Stefan Ustorf, bei dem Sie zurzeit in Berlin wohnen. Er hat den Kontakt zwischen Ihnen und den Eisbären hergestellt.
Wenn Stefan vor der Saison nicht nach Berlin gewechselt wäre, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich auch nicht in Berlin .
Sondern wo?
Vielleicht in Köln, bei Hans Zach, den ich als Nationaltrainer sehr geschätzt habe. Seine Leidenschaft fürs Eishockey ist unglaublich. Seine Motivationskünste sind außergewöhnlich.
Hans Zach wird aber auch als Eishockeyverhinderer kritisiert, weil er mit Vorliebe sehr defensiv spielen lässt.
Das hat der Nationalmannschaft aber in den vergangenen Jahren Erfolg gebracht. Sicher, die nächste Stufe hätten wir vielleicht mit Zach nicht erreicht. Ich finde das neue, offensivere Spielsystem von Bundestrainer Greg Poss nicht schlecht. Für einen Torwart bedeutet es mehr Beschäftigung, weil der Gegner eher eine Konterchance bekommt.
Auch die Eisbären sind eine eher offensiv ausgerichtete Mannschaft.
Ja, das habe ich schon gesehen, vor einer Woche beim 3:2 gegen Kassel. Das war sehr attraktives, schnelles Eishockey. Ich hoffe, dass die NHL ein paar Elemente des europäischen Eishockeys übernimmt, wenn denn irgendwann mal wieder gespielt wird. Zum Beispiel die größeren Eisflächen.
Im Augenblick sind Sie und Ihre Kollegen wegen des Tarifstreits in der NHL immer noch von den Klubs ausgesperrt. Eine Einigung ist nicht in Sicht, die Eisbären hoffen sogar, dass Sie über diese Saison hinaus in Berlin bleiben.
So weit will ich im Augenblick nicht denken. Ich hoffe immer noch auf ein kleines Wunder, auf eine Einigung in letzter Minute. Wenn die Saison komplett ausfällt, ist das für die NHL eine Katastrophe. In Kanada werden die Fans das vielleicht verzeihen, aber auf den wichtigen Märkten in den USA ist die Liga dann tot.
Das Gespräch führten Sven Goldmann und Claus Vetter.
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