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Her damit! Zu solchen Szenen könnte es auch zwischen den Fans der Packers (hier Passempfänger Greg Jennings) bei dem Verkauf der begehrten Aktien kommen. Foto: Reuters

© Reuters

Sport: In der Hand des Volkes

Der 1. FC Union eifert dem US-Footballklub Green Bay Packers nach, der Anteile an seine Fans verkauft

Berlin - Green Bay im US-Bundesstaat Wisconsin ist für gewöhnlich ein ziemlich ruhiges Städtchen. Die im Norden des Landes gelegene 100 000-Einwohner-Gemeinde ist eher für ihre kalten Winter bekannt als für ihren pulsierenden Lebensstil. Im Moment herrscht jedoch Aufregung in der Stadt – und das liegt an dem Klub, der Green Bay überhaupt über die Grenzen des Bundesstaates hinaus bekannt gemacht hat: den Green Bay Packers, dem aktuellen Meister und Rekord-Champion im amerikanischen Profi-Football (13 Titel, darunter vier Super-Bowl-Siege).

Die Euphorie der Fans liegt allerdings nur sekundär im starken Saisonstart ihrer Mannschaft begründet, die nach acht Spieltagen als einziges Team der National Football League (NFL) noch ungeschlagen ist. Der wahre Grund für die Begeisterung in der ohnehin footballverrückten Stadt ist eine Nachricht, mit der die Packers vor wenigen Wochen an die Öffentlichkeit gegangen sind. Bereits zum fünften Mal in der 92-jährigen Vereinsgeschichte – nach 1923, 1935, 1950 und 1997 – sollen wieder einmal Klubanteile an Fans verkauft werden – eine historische Gelegenheit. Bis heute sind die Green Bay Packers das einzige von 32 Teams in der durch und durch kommerzialisierten NFL, das sich in öffentlicher Hand befindet und nicht von einem schwerreichen Besitzer kontrolliert wird. Aktuell teilen sich 112 000 Eigner etwa 4,8 Millionen Aktien. Sie besitzen zwar kein Mitspracherecht, dürfen ihre Aktien aber ebenso wenig weiterverkaufen, sondern bestenfalls an nahe Verwandte vererben. Trotzdem ist das Interesse weiterhin ungebrochen.

„Die Leute sind außer sich“, sagt Paul Miller. Der 22 Jahre alte Packers-Fan aus Waunakee, Wisconsin, erklärt die Faszination des Klubs so: „Nur bei den Packers haben Fans die Chance, einen Teil der Franchise zu besitzen. Normalerweise klafft im US-Profi-Sport eine große Lücke zwischen den Fans und Besitzern. In Green Bay wurde dagegen immer versucht, eine enge Beziehung zwischen Verein und Fans aufzubauen.“ Das zahlen die Fans nun zurück, im wahrsten Sinne des Wortes. Auch Paul Miller kennt viele Leute, die Anteile kaufen wollen. „Ich denke selbst darüber nach, denn ich habe das Gefühl, dass es die letzte Chance sein könnte.“ Für eine Handvoll Dollar darf man sich schließlich Mitbesitzer bei einem der größten Traditionsvereine des Landes nennen.

Mindestens 100 000 Aktien sollen in den Verkauf kommen, wahrscheinlich werden es sogar wesentlich mehr sein. Der Preis pro Aktie soll wie beim letzten „Stock Sale“ 1997 bei 200 Dollar liegen. Mit dem Geld will der Klub einen Teil der Renovierungskosten (130 bis 140 Millionen Dollar) des wohl legendärsten Football-Stadions der USA finanzieren, das die Green Bay Packers ihre Heimat nennen: das 73 000 Zuschauer fassende und seit 42 Jahren permanent ausverkaufte Lambeau Field.

Eine kluge Entscheidung, findet Paul Miller. „Wenn der Anteilsverkauf den ausschließlichen Zweck hätte, Profit zu machen, würden die Fans die Pläne nicht unterstützen“, sagt er. „So fließen die Einnahmen direkt in den Stadionausbau. Davon profitieren wir alle.“ Das Lambeau Field soll bis 2013 auf etwa 80 000 Plätze ausgebaut werden – wahrlich gute Neuigkeiten bei einer Wartezeit von 30 Jahren für eine Dauerkarte. Dass die Einnahmen ausschließlich in den Stadion-Ausbau – und nicht etwa in die Mannschaft – fließen, ist die zentrale Bedingung, unter der die NFL kürzlich ihr Einverständnis für den geplanten Handel gegeben hat. Liga-Chef Roger Goodell sprach von „angemessenen Bedingungen“, und auch von den anderen 31 Team-Besitzern sind keine Beschwerden zu erwarten, zumal das letzte Wort ohnehin bei Goodell und der NFL liegt.

Ein weiteres Argument bei der Entscheidung zugunsten der Packers war ihr symbolisch-nostalgischer Wert für die Liga. Der Klub ist seit seiner Gründung in einer eher strukturschwachen Region beheimatet, die es wirtschaftlich nicht ansatzweise mit großen Märkten wie Chicago oder New York aufnehmen kann, sportlich dagegen schon – wie der jüngste Super-Bowl-Triumph im Februar 2011 zeigt. Amerikaner lieben eben solche Geschichten, wenn sich der Außenseiter aus der Provinz anschickt, es den scheinbar übermächtigen Konkurrenten aus der Großstadt zu zeigen.

„Die Packers müssen Wege finden, um finanziell weiter mithalten zu können“, sagt Paul Miller. „Und der Verkauf von Anteilen ist so ein Weg.“ Wann die ersten Aktien zum Verkauf angeboten werden, steht noch nicht fest. „Wir informieren unsere Fans umgehend“, sagt Packers-Vizepräsident Jason Wied. Aller Voraussicht nach wird es zum Ende des Jahres so weit sein. Es dürfte also nicht verwundern, wenn in Wisconsin in diesem Jahr Anteile an einem NFL-Klub unter den Weihnachtsbäumen liegen.

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