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© ddp

René Adler: In der Ruhe liegt seine Kraft

René Adler ist zur Nummer eins für die WM ernannt worden – er reagiert so, wie er spielt: sehr sachlich

Irgendwann gegen Mittag schaute René Adler auf seine Armbanduhr. „Das ist jetzt erst eineinhalb Stunden her. Deshalb ist in meinem Gefühlsleben noch nicht so viel passiert“, sagte der Leverkusener Fußballtorwart gestern in München. Aus dem begabten 25-Jährigen ist quasi über Nacht die neue deutsche Nummer eins für die Weltmeisterschaft im Sommer geworden. Am Sonntagabend hatten sich Bundestrainer Joachim Löw und Bundestorwarttrainer Andreas Köpke darauf geeinigt. Gestern, kurz nach dem Frühstück, weihten sie Adler ein. „Ich freue mich und gehe die Sache mit großem Elan an“, sagte Adler.

Für gewöhnlich sollte eine solche Nachricht einen Fußballprofi in freudige Erregtheit versetzen. Doch entweder wird Adler sich auf seinem Hotelzimmer noch backpfeifen müssen,, um zu begreifen, was passiert ist, oder aber er ist so sehr von sich überzeugt, dass er mit dieser Entscheidung fest gerechnet hat. Gestern jedenfalls wirkte Adler extrem entspannt und tief in sich ruhend. Man könnte auch sagen, René Adler kommentierte seine Beförderung so, wie er als Torwart hält: super sachlich. „Es ist noch nicht so, dass ich primär auf das Turnier schaue. Für mich ist entscheidend, dass ich jetzt in der Bundesliga überzeugend bin.“ Adler eben.

Die große Überraschung ist die Entscheidung weder zeitlich noch inhaltlich. Löw hatte bereits angekündigt, dass der Torwart, der am Mittwoch gegen Argentinien im Tor steht, auch für die WM sein Vertrauen erhält. Damit ist also aus der gefühlten Nummer eins im deutschen Tor eine echte geworden. Eine weitere Rangfolge bei den Torhütern sei nicht vorgenommen worden. Andreas Köpke wiederholte noch einmal eine von Löw zu Beginn des WM-Jahres geäußerte Absicht, wonach Manuel Neuer (Schalke) und Tim Wiese (Bremen) als Ersatztorhüter mit zur WM nach Südafrika fahren werden. „Es gibt für uns keinerlei Überlegungen, andere Torhüter ins Spiel zu bringen. Dafür gibt es keinen erkennbaren Grund. Wir vertrauen unseren drei Torhütern“, sagte Köpke.

Während der verletzte Tim Wiese gar nicht erst nach München zur Nationalmannschaft gereist ist, musste gestern noch Manuel Neuer in Kenntnis gesetzt werden. Das taten Löw und Köpke noch, bevor sie Adler ihre Entscheidung mitteilten. „Das sind Gespräche, die nicht angenehm sind“, sagte Köpke. Neuer sei einigermaßen enttäuscht gewesen, habe aber Verständnis für die Entscheidung des Trainerteams gezeigt. Anschließend hätten sich beide Torhüter im hoteleigenen Kraftraum beim freiwilligen Training getroffen und miteinander gesprochen. „Wir haben ja ein kollegiales, ein gutes Verhältnis“, sagte Adler.

René Adler, der gegen Argentinien sein erst neuntes Länderspiel bestreiten wird, beerbt Jens Lehmann (40). Der Torhüter des VfB Stuttgart hatte sowohl bei der WM 2006 als auch bei der EM 2008 das deutsche Tor gehütet. Anschließend war dieser unter freundlichem Zureden des Bundestrainers zurückgetreten. Es gebe keine „logische Nummer eins“, hatte Löw damals gesagt, als er den Konkurrenzkampf im deutschen Tor ausrief. Es konnte schon deswegen keine Nummer eins geben, weil es schon damals keine logische Nummer zwei gab im deutschen Team. René Adler und Robert Enke waren bei der EM 2008 Lehmanns Stellvertreter. Beide durften sich Hoffnungen machen auf das deutsche WM-Tor in Südafrika, wobei Enke sogar bis zu seiner tragischen Selbsttötung im vorigen November einen kleinen Vorsprung hatte. Für beide WM-Qualifikationsspiele gegen Russland war Enke vorgesehen, beide Male sagte er wegen Gesundheitsproblemen ab. Beide Male vertrat ihn Adler. Das sei, erzählte Köpke, ein wesentlicher Punkt gewesen, der für Adler gesprochen habe. „Wer erst einmal im Tor steht, kann seine Stellung untermauern“, sagte Köpke. „René hat es nun selbst in Hand, ob er bei der WM spielt. Er muss verletzungsfrei bleiben und Leistungen bringen.“

Nun steuert also auch Adler auf eine historisch beladene Aufgabe zu. Der gebürtige Sachse reiht sich ein in eine Liste prominenter Vorgänger und großer Namen wie etwa Turek, Tilkowski, Maier, Schumacher, Illgner oder Kahn. Der Status WM-Torwart sei eine große Herausforderung, sagte Adler, vor allem „in einem Land, das so große Torhüter hervorgebracht hat“. Sein Ziel sei es deshalb, ein großes Turnier zu spielen. Und dann schob er noch einen Satz hinterher, den er fast verschluckt hätte: „Ich arbeite daran, dass ich mal ein großer Name werde.“ Die Zeit läuft.

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