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Michael Ilgner

© Imago

Interview: "Wir schauen uns gerade Obama an"

Michael Ilgner war früher Wasserballer. Nun fördert er Athleten als Geschäftsführer der Sporthilfe. Mit dem Tagesspiegel spricht er über Eliten, Teilhabe und Reformen im Sport.

Herr Ilgner, sind Sie durch die Sporthilfe ein besserer Wasserballspieler geworden?



Das habe ich vor allem meinen Trainern und Mitspielern zu verdanken. Die Sporthilfe hat aber bewirkt, dass ich überhaupt Wasserballspieler geblieben bin. Dass ich studieren und 1996 zu Olympischen Spielen fahren konnte.

Was haben Sie selbst damals von der Sporthilfe außer Geld gesehen?

Nicht viel, war auch nicht weiter tragisch. Es gab so viel Neues für mich: Vereinswechsel, Studienanfang, erste eigene Wohnung. Aber die Sporthilfe war immer da, wenn die Leistung gestimmt hat.

Wie viel Geld haben Sie bekommen?

In den Spielsportarten wurden in den Neunzigern für jeden Lehrgangstag mit der Nationalmannschaft 75 bis 100 Mark ausbezahlt, glaube ich. Da sind im Jahr schon 4000 Mark zusammengekommen. Ich konnte mir zwar nichts zur Seite legen, musste mir aber auch nicht jeden Tag überlegen, ob ich noch mal in die Mensa gehen kann. Ich war unabhängig und lag meinen Eltern nicht auf der Tasche.

Aber Beratung gab es nicht, etwa, wenn man Zweifel am eigenen Weg hatte?

Natürlich gab es auch Beratung in Ansätzen. Wobei das Prinzip der Sporthilfe schon damals eher die Hilfe zur Selbsthilfe war. Heute sind viele Athleten durch die Bundeswehr oder Bundespolizei hervorragend abgesichert. Auf der anderen stehen diejenigen, die eine duale Karriere mit Studium oder Beruf bewältigen wollen. Vor allem da müssen wir noch mehr tun.

Wie wollen Sie die unterstützen?

Mit dem neuen Sporthilfe-Stipendium: Wer an einer staatlich anerkannten Hochschule studiert, bekommt ab dem dritten Fachsemester 150 Euro im Monat.

Können 150 Euro wirklich ein Anreiz sein?

Für sich alleine genommen nicht, als zusätzlicher Baustein: ja.

Bevorzugt die Sporthilfe Akademiker?

Sie bevorzugt sie nicht, aber sie gehören zur Kernklientel. Studenten machen in der Förderung den größten Anteil aus. Die haben nun mal keine Zeit, neben dem Hochleistungssport ihr Studium durch Nebenjobs zu finanzieren. Bei einem Ausbildungsplatz zahlt der Arbeitgeber ein Gehalt, das wir bei Fehlzeiten durch Verdienstausfall ausgleichen. Aber der Student ist auf sich allein gestellt.

Die Sporthilfe versteht sich als Eliteförderer. Müssen Sie da nicht aufpassen, dass nur die Schlauen gefördert werden?

Wir fördern keine akademische, sondern die sportliche Elite. Und von der erwarten wir, dass sie die beiden Kriterien erfüllt, welche Elite ausmachen: herausragende sportliche Leistungen zu bringen und gesellschaftliche Werte zu achten.

Kann man gleichzeitig Eliteförderer und Sozialwerk des Sports
sein?

Der Begriff Sozialwerk des Sports wurde vom ersten Sporthilfe-Vorsitzenden Josef Neckermann geprägt und war damals griffig. Aber er hat inzwischen etwas Verstaubtes, etwas Bedürftiges. Unsere Athleten sind keine Bedürftigen, sondern Persönlichkeiten, die herausragende Leistungen erbringen und Deutschland international repräsentieren. Wenn jemand verunglückt, wie Jo Deckarm oder Ronny Ziesmer, versuchen wir ihn aufzufangen.

Ist sozial angestaubt für Sie?

Nein. Wir drücken es eben anders aus und reden von Miteinander. Das heißt nicht nur soziale Hilfe, sondern auch Solidarität durch unseren Solidarfonds, in den Athleten mit hohen Vermarktungserlösen einen Teil ihrer Einnahmen zurückzahlen. Wir wollen die Besten am besten fördern. Aber eben nicht um jeden Preis.

Aber im Leistungssport zählen doch nur die Medaillen.

Leistungssport ist dazu da, um zu siegen. Wer das nicht akzeptiert, hat dort nichts verloren. Aber Leistung heißt nicht, dass wir nur den ersten Platz belohnen oder Erfolg um jeden Preis wollen. In unserer Kampagne gibt es ein Bild von Franziska van Almsick, das sie am Boden liegend zeigt, mit der Überschrift „Siegerin!“. Obwohl ihr Traum vom Gold zerplatzt ist, 2000 in Sydney. Es wird beschrieben, dass sie danach härter trainiert, drei Jahre später in Berlin Weltrekord schwimmt, aber 2004 trotzdem in Athen die olympische Goldmedaille verpasst. Sie hat sich in herausragender Form dem Wettkampf gestellt. Das ist doch das Faszinierende: Unter Regeln, die man sich aufstellt, den Besten zu finden.

Sie verstehen sich als Hüter der sportlichen Vielfalt. Ärgert es Sie, dass jeden Tag im Fernsehen Fußball läuft?

Wenn nur noch Fußball läuft: Ja. Wir sind deshalb sehr froh, dass wir eine Partnerschaft mit der Deutschen Fußball-Liga schließen konnten.

Was können Sie denn von der DFL lernen?

Dem Fußball ist es gelungen, fast grenzenlose Begeisterung zu wecken. Außerdem deckt er nahezu alle Ziele ab, die ein förderndes Wirtschaftsunternehmen in der Kommunikation haben kann: Reichweite erzielen, Marken präsentieren, Menschen bewegen, Vertriebswege öffnen, Identifikation schaffen. Ein Unternehmen, das den Sport nutzen will, braucht vordergründig außer Fußball eigentlich nicht mehr viel. Da müssen wir uns fragen: Wie haben die das geschafft?

Haben Sie schon eine Antwort?

Ein zentraler Punkt ist sicher professionelle und umfassende Kommunikation über den Wettkampf hinaus. Wir müssen präsentieren, dass wir die gesamte Vielfalt des Sports unterstützen. Wir müssen dabei einzelne Geschichten und Inhalte der Förderung stärker herausheben. Zum Beispiel, dass wir mit einer Sonderförderung Gewichtheber Matthias Steiner geholfen haben, in Deutschland Fuß zu fassen, noch bevor klar war, ob er in Peking für Deutschland nach Gold greifen kann.

Die Sporthilfe hat zuletzt vor allem durch Streit in der Führung auf sich aufmerksam gemacht. Nach dieser Krise gibt es einen gestärkten Geschäftsführer, nämlich Sie, und einen starken Aufsichtsratschef, Hans Wilhelm Gäb. Wie viel Spielraum bleibt da eigentlich noch für den neuen Vorsitzenden, Werner E. Klatten?

Das werden Sie bald sehen. Ich bin sicher, dass Herr Klatten der Sporthilfe seinen Stempel aufdrücken wird.

Welchen denn?

Die Sporthilfe weiter zu professionalisieren und daran zu arbeiten, wie wir weiteres Geld für die Förderung generieren können.

Mit einer neu aufgelegten Glücksspiralensendung im Fernsehen, die dem Sport zugute kommt?

Es geht in erster Linie um Fundraising, wobei auch Fernsehformate eine Rolle spielen. Es ist zwar nicht eins zu eins zu übertragen, aber wir stellen uns zum Beispiel die Frage: Warum gelingt es Barack Obama, mit einer politischen Kampagne unheimlich viel Geld über seinen berühmten Obama-Dollar einzuwerben? Das schauen wir uns gerade an.

Gibt es für Sie als Wirtschaftsingenieur erste Erkenntnisse?

Wir sehen in benachbarten Sporthilfen innovatives Fundraising. Zum Beispiel eine Förder-SMS, wie die Österreichische Sporthilfe sie erfolgreich eingeführt hat. Oder ein Sporthilfe-Förderklub wie in der Schweiz: Ich gebe einen kleinen Betrag im Monat und bekomme dafür Informationen über die Förderung, Zugang zu Veranstaltungen, und ich bin Teil einer Förder-Community. Wenn ich einen Athleten bei seinen Vorbereitungen auf Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele unterstütze, werde ich auch Teilhaber: Ich fühle beim Sieg intensiver mit.

Das Gespräch führten Robert Ide und Friedhard Teuffel.

Michael Ilgner (37) ist Geschäftsführer der Stiftung Deutsche Sporthilfe, dem größten Fördernetzwerk des Sports.

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