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Soooo groß... waren teilweise die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen. Herthas Trainer Dardai gefiel das gar nicht.

© imago/Camera 4

Pal Dardai bei Hertha BSC: Kann funktionieren, muss aber nicht

Die Entscheidungen von Trainer Pal Dardai sind Ausdruck der Unsicherheit bei Hertha BSC. Gegen den formstarken VfL Wolfsburg könnten sich Fehlentscheidungen übel auswirken.

Rainer Widmayer hat am Montagvormittag große Freude daran gefunden, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. „Guuuuter Ball von mir“, rief der Co-Trainer von Hertha BSC während der Trainingseinheit zum Wochenstart, in der die am Sonntag nicht eingesetzten Spieler des Fußball-Bundesligisten unter anderem Torabschlüsse übten. „Riiiichtig guter Ball von mir“, rief Widmayer noch einmal, und schließlich kam der Scherz auch bei den Aktiven an.

Weil sie registriert hatten, dass in seinem Pass auf Sebastian Langkamp zu viel Kraft steckte, um ihn überhaupt erreichen und irgendwie verarbeiten zu können. So viel Spaß, das war die Botschaft, möchte doch bitte erlaubt sein, selbst nach dem neuerlichen Rückfall der Berliner auf den vorletzten Tabellenplatz.

Überhaupt war auffällig, wie sich Co-Trainer Widmayer am Tag nach der 0:2-Niederlage gegen den SC Freiburg in den Vordergrund drängte – beziehungsweise: wie sich Cheftrainer Pal Dardai zurückhielt. Abgesehen von einer längeren, nichtöffentlichen Mannschaftsansprache am Montag und den obligatorischen Interviews danach war der Ungar im Verlauf der Trainingseinheit nicht ein einziges Mal zu hören.

Man könnte auch sagen: Dardai nahm sich nach seiner ersten Niederlage als Trainer eines Bundesligisten selbst ein bisschen aus der Schussbahn. „Wir müssen weiter hart und konzentriert arbeiten, um irgendwo die drei Punkte nachzuholen, die wir am Sonntag verloren haben“, sagte Dardai. Das klang zwar banal, aber allemal sortierter als das, was Dardai noch am Sonntag geäußert hatte.

Da gingen Wort und Tat des Ungarn arg auseinander. Einerseits kritisierte Dardai mit Verweis auf die Gegentore, im Abstiegskampf könne man „nicht alles spielerisch machen, zur Not muss ich auch mal wie ein Bauer einen Befreiungsschlag machen“. Die Freiburger erbrachten allerdings den Gegenbeweis dieser These: Obwohl Trainer Christian Streich auf sechs Stammspieler verzichten musste, waren die Gäste stets bemüht, einzelne Situationen spielerisch zu lösen. Lange Bälle? Ließen sich an einer Hand abzählen.

Hertha hatte Probleme, die taktischen Vorgaben von Dardai umzusetzen

Zudem verstrickte sich Dardai in Widersprüche, weil er – entgegen seiner Forderung – die auf dem Papier womöglich spielstärkste Berliner Mannschaft aufs Feld schickte. Fußballerisch eher hölzerne, aber der taktischen Gesamtstatik dienliche Akteure wie etwa Peter Niemeyer suchte man in der Aufstellung vergeblich. Stattdessen betraute Dardai Ronny mit der Aufgabe, das Spiel von der Position im zentralen Mittelfeld aus zu steuern. Mit absehbarem Resultat: Als der beim Anhang für gewöhnlich recht beliebte Brasilianer nach gut einer Stunde den Platz verließ, wurde er so laut ausgepfiffen wie nie zuvor in seiner Berliner Zeit. „Er ist unser bester Fußballer“, begründete Dardai, „ich dachte, das kann funktionieren, aber es hat leider nicht funktioniert.“ Prinzipiell hatte Hertha große Mühe, die taktischen Vorgaben des Trainers in die Praxis umzusetzen. „Es hat der Moment gefehlt, der uns ins Spiel bringt“, sagte Dardai am Montag. In den statistischen Werten waren die Berliner den Freiburgern sogar fast ausnahmslos überlegen: Laufbereitschaft, Torschüsse, Zweikämpfe. „Aber diese Zahlen können wir in die Tonne werfen“, sagte Dardai. Sie waren vielmehr Ausdruck der Hilflosigkeit seiner Mannschaft. „Wir haben vieles falsch gemacht, unser Plan ist überhaupt nicht aufgegangen“, sagte Stürmer Julian Schieber, der noch zu den besseren Berlinern gehörte.

Dardai wollte das so nicht stehen lassen und stellte sich mit dem gleichen Argument vor seine Mannschaft, das er bereits Tags zuvor gebraucht hatte: „Uns hat die Spritzigkeit gefehlt – vielleicht haben wir in der Woche vor dem Freiburg-Spiel zu hart trainiert. Das ist dann mein Fehler“, sagte Dardai, und es klang beinahe so, als würde da einer seinen eigenen Abgesang anstimmen. Dardai, vor einer Woche forsch und erfolgreich in seinen ersten Job als Bundesliga-Trainer gestartet, lächelte dabei ein bisschen gequält. Vielleicht hatte er sich gerade jenen Satz in Erinnerung gerufen, den er nach dem Erfolg in Mainz geäußert hatte: „Solange wir gewinnen, bleibe ich bestimmt auch Trainer.“ Am Sonntag treten die Berliner beim VfL Wolfsburg an (17.30 Uhr), der mittlerweile seit neun Bundesliga-Spielen ungeschlagen ist. Für Fehlentscheidungen dürfte im Spiel gegen den Tabellenzweiten nur wenig Raum sein.

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