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Zuschauer bejubeln die Spieler um Kapitän Andrij Jarmolenko (3.v.l) beim öffentlichen Training der ukrainischen Nationalmannschaft in der Brita-Arena.

© dpa/Arne Dedert

Krieg als „zusätzliche Motivation“: Ukraine will die Fußball-EM genießen

Tausende Fans strömen zum öffentlichen Training der ukrainischen Nationalmannschaft in Wiesbaden. Die Spieler genießen es − sind in ihren Gedanken aber auch in der vom Krieg traumatisierten Heimat.

Von Christian Johner

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Als Taras Stepanenko nach der Atmosphäre beim öffentlichen Training in Wiesbaden gefragt wird, fangen die Augen des ukrainischen Fußball-Nationalspielers an zu leuchten.

„Es ist eine Ehre für uns, hier zu sein“, sagt der 34-Jährige von Schachtar Donezk. Seine Euphorie und die der ukrainischen Fans vor dem Auftaktspiel bei der Fußball-EM in Deutschland ist trotz des russischen Angriffskrieges ungebrochen.

Er hatte einen Tag zuvor davon gehört, dass viele Menschen in die eher beschauliche Brita-Arena nach Wiesbaden kommen würden, sagte Stepanenko − und sie kamen.

Es ist wirklich schwierig, jeden Tag liest man Nachrichten und weiß, dass Russland Raketen auf unser Land abschießt.

Taras Stepanenko, ukrainischer Nationalspieler

Tausende ukrainische Zuschauerinnen und Zuschauer jubelten ihrer Nationalmannschaft zu. Immer wieder schallten lautstarke „Ukraine“-Sprechchöre durch das Stadion. Die Nationalhymne sangen die Fans leidenschaftlich und voller Emotionalität mit.

Starspieler Mychajlo Mudryk macht nach dem öffentlichen Training der Nationalmannschaft der Ukraine ein Selfie mit Fans.

© dpa/Arne Dedert

Inmitten des seit rund 28 Monaten andauernden Krieges ist die EM-Endrunde für das Land ein Lichtblick − für Fans wie für Spieler. Am Montag gegen Rumänien (15.00 Uhr) bestreiten Stepanenko, Superstar Mychajlo Mudryk vom FC Chelsea und Co. ihren EM-Auftakt. Die Mannschaft habe eine große Verantwortung, sagt Nationalspieler Ruslan Malinowskyj, der für den Genua CFC in Italien spielt.

Schlimme Nachrichten aus der Heimat

Nach dem ersten Gruppenspiel gegen Rumänien geht es für die Mannschaft in der Vorrunde noch gegen die Slowakei (21. Juni, 15.00 Uhr) und Belgien (26. Juni, 18.00 Uhr). Normalerweise wäre ein zweiter Platz machbar − und somit der sichere Einzug in die K.-o.-Runde.

Doch was ist für die Ukraine in diesen Zeiten schon normal? Allein, sich voll auf das Turnier zu fokussieren, fällt den Spielern nicht leicht. „Es ist wirklich schwierig, denn jeden Tag liest man Nachrichten und weiß, was in unserem Land passiert und weiß, dass Russland jeden Tag Raketen auf unser Land abschießt“, sagte Stepanenko.

Die Situation in der Heimat sei eine „zusätzliche Motivation“ für die Spieler, sagte Olexander Sintschenko vom FC Arsenal, der neben Mudryk einer der Stars im Team ist.

Unterstützung erhält die Mannschaft nicht nur aus der Heimat, sondern auch vom hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU). Er drücke der Elf von Trainer Sergej Rebrow genauso wie der deutschen Auswahl die Daumen, sagt Rhein. „Dafür haben wir zwei Daumen.“

Nach dem Training nahmen sich die Nationalspieler Zeit für die Fans.

© dpa/Arne Dedert

Die Fußball-Nationalmannschaft aus der Ukraine könne bei der EM ein Wunder vollbringen, sagte Rhein vor Beginn des öffentlichen Trainings. „So wie die Männer und Frauen gerade in der Ukraine ein Wunder für die Freiheit vollbringen.“

Vor allem das Thema Sicherheit spielte vor der Ankunft der Ukrainer am Mittwoch in ihrem EM-Quartier im hessischen Taunusstein eine große Rolle.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte angekündigt, die ukrainische Nationalmannschaft angesichts der Situation besonders zu schützen. Die Sicherheitsmaßnahmen zwischen Bund, Ländern und teilnehmenden Nationen seien eng abgestimmt.

Bislang zumindest verlief alles friedlich, auch beim öffentlichen Training in Wiesbaden. Dort liefen am Ende lediglich ein paar Fans auf den Platz, um mit ihren Helden Mudryk, Sintschenko und Co. Selfies zu machen.

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