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© dpa

Trochowski: Linksruck eines Technikers

Piotr Trochowski hat sich in der Nationalmannschaft mit seiner neuen Rolle arrangiert – nun überzeugt er. Beim Sieg gegen Liechtenstein hat er so gut wie noch nie gespielt.

Horacio Troche, gesprochen: Trotsche, aus Colonia Suiza in Uruguay hat es in Deutschland zu einiger Berühmtheit gebracht. Da war dieses WM-Spiel 1966 in Sheffield, als Señor Eisenfuß den Hamburger Volkshelden Uwe Seeler erst von hinten in die Beine trat und als Entschuldigung noch eine Ohrfeige nachreichte. Ein Jahr später wechselte Troche nach Aachen, er war der erste Uruguayer in der Bundesliga, und bei Uwe Seeler hat er sich wort- und tränenreich mit einem Blumenstrauß entschuldigt.

Ohne diese legendäre Grätsche-Ohrfeige-Kombination samt Happy End würden sie Piotr Trochowski beim HSV jetzt vielleicht Peter nennen oder Pitti oder Trochi.

Sie nennen ihn Trotsche.

Ausgerechnet Piotr Trochowski, der mit seiner feinen Technik und Zurückhaltung so gar nichts von den uruguayischen Primärtugenden hat. Der 1,68 Meter kleine Mann, der seine Tricks auf den Straßen des Hamburgers Problemstadtteils Billstedt adaptiert und es damit bis in die Nationalmannschaft gebracht hat. Beim 6:0-Sieg gegen Liechtenstein hat Piotr Trochowski so gut gespielt wie noch nie in seinen bisher 14 Länderspielen.

Bei der EM hat noch Podolski links gespielt, aber er wird jetzt weiter vorne gebraucht

Es ist in Vaduz viel geredet worden über Lukas Podolski und seine beiden Tore und nicht ganz so viel über deren Entstehungsgeschichte. Beide Male gingen sie zurück auf Piotr Trochowski, auf seine Flügelläufe, den Blick in die Tiefe und den Pass im perfekten Augenblick. „Unsere linke Seite mit Trochowski und Lahm war sehr gut“, befand Joachim Löw – keine große Überraschung für den Bundestrainer, „das hat man ja schon im letzten Spiel gegen Belgien gesehen.“ Trochowski kommentierte das mit dem schlichten Satz: „Wir auf der linken Seite wollen einfach nur kicken.“

Die linke Seite. Bei der EM in Österreich und der Schweiz war das der Arbeitsplatz von Lukas Podolski, aber der wird jetzt weiter vorn gebraucht, weil es dort nicht so gut läuft, wie es der Bundestrainer gern hätte. Also ist Trochowski in die Lücke gesprungen, und er macht seine Sache so gut, dass zum nächsten Spiel morgen gegen Finnland eine Rückversetzung auf die Ersatzbank kein Thema ist. Trochowski sagt, er gehe davon aus, „dass ich auch in Helsinki spielen werde“. Natürlich auf der linken Seite.

Er ist dabei, seinen Frieden zu machen mit der Position, die ihm nicht gerade ans Herz gewachsen ist. Trochowski hat sich immer als Mann in der Zentrale gesehen, als Stratege und Ballverteiler, als Nummer zehn. Dieser Job aber war in Hamburg an Rafael van der Vaart vergeben, den vielleicht besten Fußballspieler, den die Bundesliga in den vergangenen Jahren hatte. Trochowski wurde hin und her geschoben, mal nach rechts, mal nach links, häufiger allerdings auf die Ersatzbank, bis ihm Trainer Huub Stevens zu verstehen gab, dass er auf der zentralen Position keine Perspektive habe. Auch, aber nicht nur wegen der Konkurrenz des Holländers van der Vaart.

Vielleicht wird Trochowksi in ein paar Jahren das Aufeinandertreffen mit van der Vaart und Stevens als Segen empfinden. Vor allem aber für seine Perspektive in der Nationalmannschaft, in der er gewiss keine Karriere als Nummer zehn gemacht hätte. Joachim Löw lobt seinen guten Blick, aber es ist der Blick für die unmittelbare Situation, nicht der für das Gesamte. Was Trochowski fehlt, ist das 360-Grad-Radar eines Michael Ballack. Oder die von Torsten Frings meisterlich interpretierte Fähigkeit, seine Kollegen mitzureißen und anzutreiben. Ein guter Techniker mit brillanter Schusstechnik ist noch lange kein Stratege.

Beim HSV ist nach van der Vaarts Weggang nicht Trochowski der Spielgestalter, sondern Neves

Michael Ballack und Torsten Frings sind in der Nationalmannschaft gesetzt. Beide fehlen sie zum Auftakt der WM-Qualifikation, aber Bundestrainer Löw hat die zentrale Position nicht mit dem Kreativling Trochowski besetzt, sondern mit den eher defensiv orientierten Simon Rolfes und Thomas Hitzlsperger. Denn Piotr Trochowski ist einer, der mitspielt. Keiner, der anführt.

Daran wird sich auch in Hamburg nichts ändern, obwohl Rafael van der Vaart vor ein paar Wochen entschwunden ist in Richtung Madrid. Beim HSV haben sie über die vakante Planstelle diskutiert und die Spielgestaltung für 7,5 Millionen Euro in die Füße des Brasilianer Thiago Neves gelegt. Trochowski wird sich im Ligaalltag weiter auf der linken Seite für die Nationalmannschaft empfehlen dürfen.

Philipp Lahm sagt über seinen Passmann auf der linken Seite: „Er ist ein großes Talent“, ein eher zwiespältiges Kompliment für einen 24-Jährigen. Bundestrainer Löw findet immerhin, dass „Piotr den nächsten Schritt gemacht hat“. Trochowski wird zeigen müssen, ob es der entscheidende Schritt war. Ob es auch auf höchstem Niveau zu konstanten Leistungen reicht. Am Samstag ging es, bei allem Respekt, nur gegen Liechtenstein. Bei der Europameisterschaft im vergangenen Sommer hat Piotr Trochowski keine einzige Minute gespielt.

Der alte Trotsche schaffte es mit Uruguay immerhin bis ins Viertelfinale einer Weltmeisterschaft. 1966, in Sheffield, gegen Deutschland und Uwe Seeler.

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