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Bundesliga-Saisonvorschau (5): Mainz wie es singt und kracht

Der FSV Mainz 05 und seine Fans haben sich entfremdet. Jetzt sucht der Klub nach neuen Leitfiguren – und sportlicher Konstanz.


Am 24. August startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine. Heute Teil 5: Mainz 05.

Was hat sich verbessert?

Die Defensive. Mainz hat investiert, um eine Saison wie die letzte zu vermeiden. Damals stand der Klub fünf Runden vor Schluss auf Relegationsplatz 16, hatte zwischenzeitlich die zweitschlechteste Verteidigung der Liga und am letzten Spieltag nur drei Punkte Vorsprung auf den 16. aus Wolfsburg. Sportvorstand Rouven Schröder musste nachlegen, erst recht nach den Abgängen von Diallo und Balogun. Ersterer spülte allerdings auch stabile 28 Millionen Ablöse in die Mainzer Kassen, die Schröder klug reinvestiert hat. Was die 05er aber immer noch nicht geschafft haben: Yunus Malli zu ersetzen, der vor anderthalb Jahren nach Wolfsburg ging. Nach wie vor fehlt ein offensives Mastermind im Kader. Eine sichere Defensive ist das eine, doch wer vorne keine Tore macht, kann eben auch nicht gewinnen. Vielleicht tut sich aber noch was, die Mainzer Transferbilanz weist immerhin noch ein Plus von fast 30 Millionen auf.

Wer sind die Neuen?

Zuerst mal harte Fakten: Jean-Philippe Mateta, 21, Mittelstürmer, kam für acht Millionen Euro aus Lyon und ist damit Mainz’ Rekordtransfer. Er dürfte im Angriffszentrum gesetzt sein. Pierre Kunde, 22, zentraler Mittelfeldspieler, holte der FSV für siebeneinhalb Millionen von Atletico Madrid; damit Rang zwei auf der Liste der teuersten Mainzer Zugänge aller Zeiten. Moussa Niakhaté, 22, Innenverteidiger vom MC Metz, sechs Millionen, Rang vier. Dann wäre da noch Aarón Martín, 21, Linksverteidiger, von Espanyol Barcelona ausgeliehen, allerdings mit Kaufoption. Zieht Mainz diese nächsten Sommer, würde wohl ein Paket von mehr als zwölf Millionen Euro fällig - und Martín wäre der neue Rekordtransfer. Daneben gingen einige Leihen zu Ende, Ridle Baku kam von der eigenen „Zweiten“ und Phillipp Mwene vom FCK. Im Gegensatz zu Mateta, Kunde, Niakhaté und Martín werden die beiden aber nicht unmittelbar weiterhelfen.

Wer hat das Sagen?

Sandro Schwarz, auch wenn man sich beim 39-jährigen Mainzer Trainer manchmal nicht vorstellen kann, dass er so etwas wie Autorität ausstrahlt. Nach dem Klassenverbleib in der letzten Saison gab er zu Protokoll: „Alle Getränke, die vor die Flinte kommen, werden wir heute verhaften. Aber sowas von!“ Im Endeffekt passt das aber ausgezeichnet zum selbsternannten Karnevalsverein aus Mainz. Schwarz ist der legitime Nachfolger Jürgen Klopps, mit dem er auch beim FSV zusammenspielte. Der vielzitierte „Mann des Volkes“ ist lustig, unterhaltsam – aber auch knallhart, wenn es sein muss. Und noch eine andere Eigenart teilt er mit Klopp. Vom Post-Klassenverbleib-Interview verabschiedete er sich mit den Worten: „Ich muss rein, ich muss eine rauchen.“

Was erwarten die Fans?

Was erwartet wohl das Umfeld in Mainz, wo hunderte Fans nach dem kurz vor knapp klargemachten Klassenverbleib der vergangenen Saison die Mannschaft am Stadion empfingen und mit bemerkenswerter Ausdauer den eigentlichen Aufstiegsklassiker „Nie mehr Zweite Liga“ schmetterten? Dass der kleine FSV Mainz 05 in seine zehnte Bundesliga-Saison hintereinander geht, hätte beim Aufstieg 2009 wohl keiner gedacht. Dementsprechend lautet das Motto für die kommende Spielzeit: „Unser Traum lebt.“ Dennoch scheinen die treuen Anhänger etwas zu vermissen, der Dauerkartenverkauf läuft dieses Jahr jedenfalls schleppend. Die „FAZ“ berichtet, dass aktuell „weit mehr als 5000 Verkäufe“ fehlten, um die 17 500 Abos aus dem letzten Jahr zu erreichen. Dabei sind die Fans in den sozialen Medien eigentlich zufrieden mit den Neuzugängen. Erhofft wird dennoch nicht mehr als der Klassenverbleib und damit die elfte Bundesliga-Saison in Folge.

Was ist in dieser Saison möglich?

Der Klassenverbleib. Definitiv nicht mehr, vielleicht eher weniger. „Auch diese Saison wird es sehr schwer werden“, prognostizierte Außenverteidiger Daniel Brosinski. Er dürfte recht behalten.

Und sonst?

Mainz hat ein Identitätsproblem. Oder vielleicht eher ein Identifikationsproblem. Früher gab es kaum einen Klub in Deutschland, der familiärer war als der FSV. Inzwischen haben Identifikationsfiguren wie Klopp, Christian Heidel oder Harald Strutz (der zugegebenermaßen gegen Ende seiner Amtszeit als Präsident nicht mehr sonderlich beliebt war) den Verein sukzessive verlassen, die Mannschaft bietet keinen aufregenden Hochgeschwindigkeitsfußball mehr. Die Folge: Team und Fans haben sich entfremdet. Um wieder näher zusammenzurücken, wollte der Verein am vergangenen Mittwoch eine große Leitbild-Umfrage starten, um gemeinsam über Image, Selbstbild und Zukunft des Vereins zu entscheiden. Symptomatisch: „Aufgrund komplexer Prozesse im Hintergrund“, wie es auf der Vereinswebsite heißt, könne der Fragebogen „derzeit noch nicht online gehen“.

Bisher erschienen: 1. FC NürnbergFortuna Düsseldorf, VfL Wolfsburg, SC Freiburg.
Nächste Folge: Hannover 96

Tobias Finger

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