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Lehrbuchmäßiger Kopfball. Marvin Friedrich erzielte das 2:2 gegen den VfB Stuttgart.

© REUTERS/Andreas Gebert

2:2 gegen Stuttgart in der Relegation: Marvin Friedrich beseitigt den letzten Makel

Der Innenverteidiger erzielt gegen den VfB Stuttgart sein erstes Saisontor und zeigt seine Qualitäten. Dabei verlief Friedrichs Spiel bis dahin unglücklich.

Von David Joram

Als alles vorüber war, da schritten die Spieler des 1. FC Union erschöpft und glücklich der Gästekurve entgegen, um sich den angemessenen Beifall ihrer 4000 Fans abzuholen. Ein 2:2 hatte Berlins Fußball-Zweitligist zuvor beim Bundesligisten VfB Stuttgart erkämpft und über 94 Minuten bewiesen, dass er den Schwaben auf gleicher Ebene begegnet. Phasenweise, insbesondere in den Schlussminuten, wirkten die Gäste sogar überlegen, zwei starke Aktionen des auffälligen Sebastian Andersson hätten fast den Siegtreffer gebracht.

Entsprechend laut applaudierten die Union-Fans ihren Relegationshelden. Wer von ihnen hatte ernsthaft mit einer so tollen Ausgangslage gerechnet? Den Dank verbanden die Anhänger noch mit einer kleinen Botschaft, einer alten wie naheliegenden. „Alte, Alte, Alte Försterei“, sangen sie also voller Vorfreude auf das, was da am Montag noch kommen möge.

Wenig später, tief im voluminösen Bauch des Stuttgarter Stadions, presste Marvin Friedrich den Gesang der Fans in einen knackigen Satz, der vier Worte enthielt. „Das Stadion wird brennen“, sagte Friedrich. Er meinte dies natürlich im metaphorischen Sinne, die Atmosphäre betreffend. Es war dennoch eine forsche Ankündigung, erst recht von Friedrich, dem Innenverteidiger, der neben dem Platz eher sachliche und überschaubar aufregende Dinge von sich gibt – was er dann auch am Donnerstagabend noch tat. „Das war ein gutes Spiel von uns. Wir haben eine gute Ausgangsposition geschaffen, aber wir haben noch 90 Minuten zu gehen“, bilanzierte er. Was dieses 2:2 für das Rückspiel bedeutet, erklärte Friedrich ebenfalls: „Da müssen wir da sein, ganz klar. Wir wissen, dass Stuttgart Tore braucht. Das wird ein hartes Stück Arbeit.“ Von Abgehobenheit keine Spur.

Es wird am Montag, diese These scheint wenig gewagt, erneut auf Marvin Friedrich, 23, ankommen – und das muss bei Union niemanden sorgen. In Stuttgart stellte Friedrich unter Beweis, dass er der stürmenden Bundesliga-Zunft gewachsen ist. Zuverlässig und abgeklärt agierte er, wie so oft in den vorangegangenen 34 Zweitligaspielen, die er alle komplett absolvierte. Dass Union lediglich 33 Gegentore in der Zweiten Liga hinnehmen musste, daran hatte Friedrich einen großen Anteil. Weil er gut antizipieren kann und geschickt in die Zweikämpfe geht, löst er auch knifflige Situationen meist fachgerecht. Lediglich drei Gelbe Karten erhielt er in der gesamten Saison.

Im Prinzip hatte Friedrichs bislang so fein verlaufendes Fußballjahr nur einen Makel: er hatte bislang kein einziges Mal ins gegnerische Tor getroffen. Ein Umstand, der Mitspieler Grischa Prömel schon dazu bewogen hatte, diverse Gemeinheiten auszusprechen. Gut sei er ja, der Marvin, aber die Sache mit den null Toren, nun ja. Das war der Tenor – bis zu jener 68. Minute von Stuttgart. „Ich habe gesehen, dass der Ball gut von Trimmi kommt und bin hoch drangegangen“, schilderte Friedrich die Szene, die ihm jeglichen weiteren Spott ersparen dürfte.

"Endlich treffe ich auch mal das Tor"

Nach einem Eckball von Kapitän Christopher Trimmel wuchtete der Abwehrspieler sämtliche seiner 192 Zentimeter Körperlänge in die Luft, sprang dem Ball punktgenau entgegen und drückte ihn aus zehn Metern Entfernung mit einer Perfektion in die rechte Torecke, dass die Kopfballschulbücher dieser Fußballwelt nun neu geschrieben werden müssen. „Endlich treffe ich auch mal das Tor“, witzelte Friedrich hinterher, Prömel gratulierte artig.

Einen Schritt zu spät. Marvin Friedrich grätscht ins Leere und Stuttgarts Anastasios Donis bereitet das 1:0 vor.
Einen Schritt zu spät. Marvin Friedrich grätscht ins Leere und Stuttgarts Anastasios Donis bereitet das 1:0 vor.

© THOMAS KIENZLE / AFP

Der Glücksmoment war einer mit besonderer Vorgeschichte. An den beiden Gegentoren in Stuttgart trug Friedrich jeweils seinen Anteil, wenngleich ihm zweimal kaum Schuld traf. Vor dem 1:0 des VfB durch Christian Gentner setzte er die Grätsche gegen Anastasios Donis eine Millisekunde zu spät an, bei Mario Gomez‘ Tor fälschte er den Ball per Kopf unglücklich ab. „Beim 2:1 sieht das ein wenig unglücklich aus, weil Gomez mich da anschießt. Sowas passiert“, erklärte Friedrich hinterher. Er klang dabei wie sein Trainer Urs Fischer, der sein Team nach dem knapp verpassten direkten Aufstieg gegen Bochum im Rekordtempo wieder aufgerichtet hatte. Abhaken, weitermachen. So machen sie es bei Union schon in der gesamten Spielzeit. Es hätte also keinen Grund gegeben, in Stuttgart anders aufzutreten.

Es ist eine außergewöhnliche Mentalität, die ihnen der Coach da vermittelt hat, diesmal im Speziellen von Marvin Friedrich vorgelebt. Die schlechtesten Voraussetzungen für das Rückspiel am Montag sind das nicht, zumal als Austragungsort dann das Stadion An der Alten Försterei dient.

Alles zum Aufstiegskampf des 1. FC Union lesen Sie bei uns im Blog.

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