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Gerade Ausdauersport ist häufig mit Schmerzen verbunden.

© dpa/Christian Charisius

Medikamenten-Missbrauch im Amateur-Ausdauersport: Schmerz lass nach − um jeden Preis

Der Schmerz kommt. Das wissen sie. Und manche meinen, dem vorbeugen zu können. Was sagen Veranstalter, Experten und Anti-Doping-Agenturen zum Thema Schmerzmittel und Doping im Ausdauersport.

Von Sarah Knorr, dpa

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Persönliche Bestzeiten, Konkurrenzkampf, Druck durch soziale Netzwerke oder einfach purer Ehrgeiz: Auch die weit über 50.000 Teilnehmer des berühmtesten deutschen Marathons werden wieder alles geben. Eine Million Zuschauer an der Strecke in Berlin mit dem legendären Zieleinlauf durch das Brandenburger Tor werden erwartet. Und alle die, die 42,195 Kilometer laufen, erwartet auch eines: Schmerz. Ob der mehr berüchtigte als berühmte Mann mit Hammer bei Kilometer 30 kommt, früher oder später. Es wird anstrengend, es kann wehtun.

„Wer Schmerzen hat, ist abgelenkt“, sagt Matthias Krüll. Der Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie, Infektiologie und Notarzt/Fachkunde Rettungsmedizin ist der Medizinische Direktor des Berlin Marathon. „Ein Marathon wird im Kopf entschieden. Und wenn der Kopf nicht frei ist, sondern auch noch mit Schmerzen kämpfen muss, dann wird jeder Kilometer noch schlimmer, noch schwieriger, als dass das ohnehin schon der Fall ist“, erklärt er.

Was hilft, ist die richtige Vorbereitung. Was nicht hilft, sind Schmerzmittel, die Teilnehmende schon vorher nehmen. Ein Problem, dass es gibt, auch wenn belastbare Zahlen kaum vorliegen. „Wir gehen davon aus, dass es sowohl Doping als auch Medikamentenmissbrauch im Amateur-/Altersklassenbereich gibt, können dies aber auf Basis unserer Arbeit und den Fokus auf den Leistungssport nicht beziffern“, heißt es auf Anfrage von der Nationalen Anti Doping Agentur (Nada). Auf Basis der derzeitigen Studienlage könne man nur spekulieren.

Regelmäßige Doping-Kontrollen sind im Amateurbereich nicht möglich

„Ob das jetzt 10 Prozent sind oder 40 oder 60, spielt eigentlich keine große Rolle, denn es sind 10, 40 oder 60 Prozent zu viel. Wir sollten an ganz anderer Stelle die Zeit und Mühen investieren, nämlich darin zu vermitteln, dass es keinen Sinn macht“, betont Krüll.

Schmerzmittel sind das eine, Doping noch mal das andere. Es gab vor Jahren die großen Dopingskandale im Profi-Radsport, es gab jüngst einen überführten mexikanischen Profi-Triathleten, es gibt immer wieder Einzelfälle unter Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern. Sie kämpfen um Goldmedaillen, um Weltmeister-Titel, sie kämpfen, weil es ihr Beruf ist.

Wir wissen, dass mit zunehmendem Alter und mit zunehmender Leistungshöhe die Bereitschaft auch für verbotene Substanzen zunimmt.

Anne-Marie Elbe, Sportpsychologin

Doch was ist mit verbotener Leistungssteigerung im Amateurbereich? „Ich sage mal so: Beim Marathonlauf im Amateurbereich, in der Liga, in der wir unterwegs sind, spielt Doping meines Erachtens keine wirklich große Rolle“, sagt Krüll. Sei es aber das Thema Doping oder das Thema Schmerzmittel, letztlich bleibt Veranstaltern von Ausdauerevents mit großen Zahlen an Amateuren vor allem nur Prävention und Aufklärung: „Wir sind alle alt genug und erhobener Zeigefinger hat noch nie geholfen. Wir können nur motivieren“, sagt Krüll.

Denn regelmäßige Doping-Kontrollen, wie sie sich Profisportler in Deutschland unterziehen müssen, sind im Amateurbereich schlicht nicht möglich. Reine Breitensportveranstaltungen würden nicht von ihnen kontrolliert, erklärt die Nada. Bei Wettkämpfen sei eine „Grenzziehung“ zwischen Profis und Freizeitathleten schwierig, heißt es weiter.

Aufklärungsarbeit bereits in jüngeren Jahren

Und dort, wo Profis und Amateure antreten wie beim Berlin Marathon, wie bei den großen Ironman-Veranstaltungen in Hamburg und Frankfurt oder beim größten Triathlon der Welt mit der Challenge Roth? Dort können Kontrollen auch bei den Amateuren vorkommen.

Nach einem Medienbericht im Zusammenhang mit der Einnahme von leistungssteigernden Mitteln im Altersklassenbereich wird nach dpa-Informationen zwischen den Organisatoren der Challenge Roth sowie der Nada im Vorlauf des Rennens im kommenden Jahr noch intensiverer Austausch stattfinden. Hierbei soll es auch darum gehen, welche Möglichkeiten Veranstalter haben, um die Athletinnen und Athleten für das Thema Schmerzmittelmissbrauch zu sensibilisieren und aufzuklären.

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Weshalb Sportlerinnen und Sportler zu unerlaubten Mitteln greifen, hat ganz unterschiedliche Motive, sagt Anne-Marie Elbe. Sie ist Professorin für Sportpsychologie an der Universität Leipzig. So sei im Bodybuilding etwa Aussehen oder das Selbstbewusstsein ein Thema − und bei manchen Athleten sei etwa das Leistungsmotiv stark ausgeprägt.

Insgesamt sei es eine Kombination aus Persönlichkeitsfaktoren, dem Umfeld sowie kritischen Lebensereignissen, die dazu führen könnten, dass Personen zu Doping greifen. Generell seien Frauen weniger unmoralisch als Männer. Und auch das Alter kann eine Rolle spielen: „Wir wissen, dass mit zunehmendem Alter und mit zunehmender Leistungshöhe die Bereitschaft auch für verbotene Substanzen zunimmt“, erläutert die Sportpsychologin.

Beim Umgang mit Doping setzten sie und ihr Forschungsteam auf den Präventionsansatz. Dabei gehe es darum, die Werte der Leistungssporttreibenden zu stärken und die Wichtigkeit des fairen Wettkampfes hervorzuheben. Aus ihrer Sicht wäre es gut, wenn es aufklärende Kampagnen auch im Vereinssport, im Amateursport oder in Fitnessstudios geben würde.

Es sei unmöglich bei großen Sportveranstaltungen flächendeckend kostspielige Doping-Tests durchführen, betont der Präsident der Deutschen Triathlon Union (DTU), Martin Engelhardt. „Wir haben da wenig Handhabung“, sagt der Mediziner. Deswegen sei es wichtig, mit der Aufklärungsarbeit bereits in jungen Jahren zu beginnen und „aufmerksam machen, auf die Auswirkungen hinweisen und die Kinder und Jugendlichen so stark machen, dass sie gar nicht erst verführt werden“. (dpa)

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