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Sport: Mit letzter Kraft zur nächsten Chance

Nach dem 22:20 gegen Dänemark fehlt den deutschen Handballern nur noch ein Sieg zum EM–Titel

Ljubljana. Die deutschen Nationalspieler bildeten eine Traube und hüpften wie kleine Kinder glückselig im Kreis. Sie hatten gerade das geschafft, woran nach dem völlig verpatzten Auftakt kaum noch jemand geglaubt hatte: Sie stehen im Endspiel der Handball-Europameisterschaft. Und wollen es heute im Tivoli-Park von Ljubljana besser machen als bei den letzten Finals, die sie in Stockholm (EM) und Lissabon (WM) verloren. „Wir wollen nicht wieder als Deppen dastehen“, sagte Bundestrainer Heiner Brand, nachdem seine Mannschaft in einem wenig hochklassigen, aber um so dramatischeren Halbfinale den Nachbarn aus Dänemark mit 22:20 (11:11) niedergekämpft hatte. Im Endspiel haben es die Deutschen heute (17.30 Uhr, live im DSF) wieder mit den Slowenen zu tun, die im anderen Halbfinalspiel den Weltmeister Kroatien 27:25 besiegten und die in der Hauptrunde beim 24:31 gegen Deutschland chancenlos waren.

Als Daniel Stephan das 22. und letzte Tor der Deutschen erzielt hatte, ging ein Aufschrei der Erleichterung durch die Halle. Nicht nur von den rund 500 deutschen Fans, sondern auch von denen der Slowenen, die sich längst mit den gegenüber sitzenden Deutschen verbrüdert hatten und mit ihren Trommelschlägen und „Deutschland-Rufen“ die Partie zu einem Heimspiel für den Vizeweltmeister machten. Stephans letztes Tor war auch sein einziges. „Mein Akku war völlig leer“, stöhnte er. Auch die sonstigen Leistungsträger Florian Kehrmann und Pascal Hens waren platt. Kehrmann, mit seinen zuvor erzielten 36 Treffern auf dem besten Weg zum Torschützenkönig des Turniers, ging völlig leer aus, Hens traf bei sieben Versuchen nur einmal.

Wohl dem, der da noch Joker hat. Heiner Brand hatte sie. Mit dem für den verletzten Markus Baur erst später angereisten Steffen Weber, der immer dann im Angriff eingesetzt wurde, wenn sich Stephan ausgelaugt auf die Bank schleppte. Vor allem aber mit Jan-Olaf Immel, der genauso wie Weber zuvor kaum Gelegenheit hatte, seine Kräfte allzu sehr zu beanspruchen. Der 27-Jährige von der SG Wallau-Massenheim wuchtete mit Urgewalt die Bälle ins dänische Tor und war mit sieben Treffern „der Mann des Spiels“, wie es Torwart Henning Fritz ausdrückte. Als bester Spieler wurde allerdings Volker Zerbe ausgezeichnet, der nur acht Versuche für seine sechs Tore brauchte.

Lob heimste auch Henning Fritz ein. Der Kieler parierte 19 der 39 Würfe und war damit noch erfolgreicher als sein Gegenüber Kasper Hvidt, der bei 36 Würfen auf 17 gehaltene Bälle kam. „Wir haben es ihm mit unserer Deckung allerdings auch nicht so schwer gemacht“, sagte Daniel Stephan.

„Auf unsere Angriffsleistung können wir heute nicht stolz sein. Besonders in den ersten 15 Minuten war ja gar nichts da“, bilanzierte Heiner Brand. Bis Immel in Schwung kam – nach 23 Minuten. Auf ihn hatten sich die starken Dänen offenbar nicht eingestellt. Wie sie ohnehin davon überrascht sein mussten, wer da in der zweiten Halbzeit die meiste Zeit auf dem Spielfeld stand. Neben Immel und Weber auch Mark Dragunski und Heiko Grimm, die nun wahrlich nicht zur ersten Garnitur zu zählen sind.

„Es war ein völlig offenes Spiel, in dem wir unglücklich verloren haben“, meinte Dänemarks Trainer Torben Winther. Bitter ist, dass die Dänen in Slowenien den Titelverteidiger Schweden und den Olympiasieger Russland deutlich bezwungen hatten, aber trotzdem nicht bei den Olympischen Spielen in Athen dabei sein werden.

„Wir denken jetzt nur ans Finale. Da werden hoffentlich einige noch mal die letzten Kräfte freisetzen“, sagt Heiner Brand.

Klaus Rocca

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