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Sport: Mutig und entschlossen - Ralf Schumacher ist schon längst nicht mehr der "kleine Bruder"

"Williams ist kein Penner-Verein, da arbeiten viele Leute ganz ernsthaft." Ralf Schumacher lässt nichts auf sein Team kommen, obwohl es in dieser Saison nicht auf der Sonnenseite der Formel 1 steht.

"Williams ist kein Penner-Verein, da arbeiten viele Leute ganz ernsthaft." Ralf Schumacher lässt nichts auf sein Team kommen, obwohl es in dieser Saison nicht auf der Sonnenseite der Formel 1 steht. Was zählen die neun Konstrukteurstitel seit 1973, die vier Weltmeister in den 90er Jahren? "Zu neunzig Prozent liegt es am Motor, dass wir momentan nicht in der ersten Reihe stehen", nennt der 24-jährige Deutsche den Grund für das Tief (aus der Williams-Sicht betrachtet, bei Minardi, Prost oder Sauber würde Jubel ausbrechen). 30 WM-Punkte stehen auf dem Konto. Allein Ralf Schumacher hat dafür gesorgt, damit den Rückfall ins Bodenlose verhindert. In 13 Rennen war er neunmal in den Punkten, Teamkollege Alessandro Zanardi überhaupt nicht. Und zuletzt in Monza brachte es Ralf Schumacher sogar fertig, mit dem viel geschmähten Supertec-V10-Motor auf den zweiten Rang zu fahren. Diese Leistung hatte sogar Frank Williams, seinen ansonsten immer bitterernsten Chef im Rollstuhl, in Euphorie versetzt: "Wir sind stolz, dass er bei uns ist. Ich sage ihm eine bemerkenswerte Zukunft voraus."

Das Klischee vom kleinen Bruder des großen Doppel-Weltmeisters und Ferrari-Stars Michael Schumacher darf damit getrost ad acta gelegt werden. Ralf Schumacher kann im jungen Alter bereits auf die Erfahrungen aus 46 Formel-1-Rennen seit seinem Einstieg 1997 im Jordan verweisen, gilt als sehr präzise im Umgang mit den Ingenieuren. Mit dem Einstieg von BMW als Williams-Motorenpartner ab der kommenden Saison könnten die Voraussetzungen damit ideal sein, in die Reihe der ganz großen Fahrer aufzurücken. Seine Aussagen gewinnen heute bereits mehr und mehr an Gewicht. Seine Reaktionen auf die vielen Fragen nach dem schlimmen Unfall von Bruder Michael in Silverstone ("Sie sind hier wohl auf der falschen Pressekonferenz. Ferrari ist woanders") haben Wirkung gezeigt. Am Nürburgring ist Ralf Schumacher gefragt, und seine Auftritte mit Ecken und Kanten in den Antworten - siehe "Pennerverein" - sind von keiner Rhetorik verfälscht. Das ist ein Punkt, den er "Schumi I" voraus hat.

Identisch ist seine Einstellung zur Formel 1. Frank Williams vergleicht Ralf Schumacher in dieser Frage mit Ex-Weltmeister Nigel Mansell: "Er ist für die Erprobung neuer Teile ein exzellenter Gradmesser, denn er fährt immer am oberen Limit - mutig, entschlossen, zielorientiert." Die Reifeprüfung in der Vollgasbranche hat er bestanden, nicht erst in Monza. Jene des Meisters soll spätestens 2001 folgen - mit BMW. "Was ich über den Entwicklungsstand des Motors weiß, ist positiver, als immer zu hören ist", hält er sich mit euphorischen Aussagen noch zurück. "Erste Tests werde ich damit wohl nicht vor Dezember haben." In München werden unter Hochdruck noch die Hausaufgaben in der F1-Motor-Entwicklung gemacht: Tests, Simulationen, Vollgasversuche, Dauerbelastungen. Über allem schwebt der Termin Anfang März 2000, wenn in Melbourne der erste ernsthafte Start erfolgt.

Aktuell ist der Williams-Supertec, in dem Ralf Schumacher vor Michael den fünften Rang in der WM-Wertung erreichen möchte. "Das ist realistisch, mehr nicht." In diesem Zusammenhang lässt er sich zu einem Urteil über Ferrari seit dem Ausfall seines Bruders hinreißen: "Die Fahrer sind dort an dem Leistungsabfall nicht schuld. Es fällt auf, dass man sich dort mit Spielereien beschäftigt. Augenscheinlich ist auch die Hektik im Team." Und auch zu Eddie Irvine, der mit Mika Häkkinen als erster Anwärter auf den WM-Titel zählt, hat er seine Meinung: "Er ist ein guter Fahrer, aber mir gefallen einige seiner Äußerungen überhaupt nicht." Diese in Monza getroffene Aussage hat an Aktualität nichts verloren, auch die Beurteilung von Williams nicht. Dort wird auch ohne Siege harte Arbeit geleistet, wofür Ralf Schumacher längst mit seinem Namen steht.

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