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Sport: Nach WM-Qualifikation Deutschland - Armenien: Aus der Not geborene Zäsur trägt Früchte

Nun hat Berti Vogts die Qual der Wahl / Wörns, Tarnat und Nowotny mit schlechten Karten für das Spiel gegen AlbanienVON KLAUS ROCCA DORTMUND.Wie ein Journalist gab sich der Mann aus Armenien auf der Pressetribüne nicht.

Nun hat Berti Vogts die Qual der Wahl / Wörns, Tarnat und Nowotny mit schlechten Karten für das Spiel gegen AlbanienVON KLAUS ROCCA DORTMUND.Wie ein Journalist gab sich der Mann aus Armenien auf der Pressetribüne nicht.Bei jeder guten Aktion von Roman Berezowski sprang er auf, spendete frenetisch Beifall und drehte sich jedesmal effektheischend um.Er tat es sehr oft, denn Berezowski machte seine Sache lange Zeit ganz hervorragend.Der 23jährige Torhüter von Zenit St.Petersburg kaufte den Deutschen in seinem erst siebenten Länderspiel mit spektakulären Paraden bis zur 70.Minute den Schneid ab.Dann kam es für ihn bitter, mit dem von Thomas Häßler beim Freistoß-Tor eiskalt bestraften Stellungsfehler ganz besonders bitter.Da war unser Mann aus Armenien auf seinem Presseplatz längst abgetaucht.Und ward auch später nicht mehr gesehen.Um so lauter war jener einzige armenische Radio-Reporter zu hören, der seinen gesamten Länderspiel-Bericht per Telefon durchgab. Auch er wurde leiser, je älter das Spiel wurde.Da gingen die Armenier, die lange Zeit geglaubt hatten, mit gut gemischtem Beton eine undurchlässige Abwehrmauer gebaut zu haben, böse ein."Es war doch nur eine Frage der Zeit, wann unser Dauer-Sturmlauf zu Toren führen würde", meinte Thomas Häßler später.Im nachhinein läßt sich das leicht sagen.So mancher auf der Tribüne dürfte die Sorge gehabt haben, daß dieses Bollwerk doch standhalten würde.Wie oft verkrampfen Mannschaften, wenn ihr eifriges Bemühen um Treffer nicht belohnt wird, und kassieren dann sogar noch ein Gegentor.Die Gefahr bestand am Mittwoch abend im Dortmunder Westfalenstadion freilich kaum.Dazu war dieser Gegner zu hausbacken. In Anbetracht des letztlich doch klaren Sieges gestaltete sich die Pressekonferenz im neuen Medien-Trakt des Westfalenstadions mehr zu einer geselligen Karnevalsveranstaltung.Kaum hatte Berti Vogts noch über die "vielen ausgelassenen Torchancen" gemosert, womit er sicher recht hatte, da überboten sich alle an Bonmots und guter Laune.Lars Ricken hatte mit seiner Stellungnahme zum Außenpfosten-Schuß bei seiner zweiten Ballberührung ("Da war ich ein bißchen unkonzentriert") ebenso die Lacher auf seiner Seite wie der neue, alte Nationalspieler Olaf Thon, der zu seiner gemäßigten Freude über die Tore meinte: "Da sind so viele zu den Torschützen hingelaufen, daß ich die erst an der Mittellinie empfangen habe.Man muß schließlich Kräfte sparen." Unfreiwillig die Lacher auf seiner Seite hatte Thon, als er Uruguay in die deutsche Europameisterschafts-Gruppe hievte und die Südamerikaner zum Sieger über die Nordiren machte.Dann korrigierte er sich: "Ach nein, es war die Ukraine." War es auch nicht.Es war Albanien. Berti Vogts hatte zwar diesmal mit seinem "Joker" Oliver Bierhoff nicht das zuletzt übliche Glück beim Einwechseln, doch nicht nur mit der Reaktivierung Thons lag er richtig.Auch Sven Kmetschs und Lars Rickens Debüts durfte man als gelungen bezeichnen.Auch des Bundestrainers Setzen auf die totale Offensive trug Früchte.Mit Ricken, Häßler und Wosz bot er zeitweilig drei Vorwärtsspieler im Mittelfeld auf, dazu mit Klinsmann, Kirsten und Bierhoff drei Stürmer.Zudem Thon als ganz nach vorn ausgerichteten Libero.Angriffslustiger kann man kaum zu Werke gehen.Der Mut zum Risiko, war das bei diesem harmlosen Gegner auch nicht allzu groß, hat sich gelohnt. Nun hat Vogts also die Qual der Wahl, wenn sie alle wieder spielbereit sind, die Verletzten und Gesperrten.Gegen die Albanier, am 11.Oktober letzter Gegner in dieser weitaus mühsamer als erwarteten Qualifikation für Frankreich, wird er wieder voll auf Angriff setzen.Dann wird der Kohler-Ersatzmann Christian Wörns, einziger Schwachpunkt in Dortmund, ebenso schlechte Karten haben wie Michael Tarnat und Jens Nowotny.Andere drängen nach vorn, wie Lars Ricken.Auf daß der Alters-Durchschnitt der oft als zu betagt bezeichneten Nationalmannschaft ein wenig nach unten gedrückt wird.Schließlich sind die neuen Hoffnungsträger wie Kmetsch und Heinrich auch schon 27 Lenze alt, Thon ist gar 31.Das Problem wird sich erst nach der Weltmeisterschaft stellen.Dann ist Vogts zu einer Zäsur gezwungen, die jetzt aus der Not geboren wurde.

KLAUS ROCCA

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