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Tiefflieger. Neven Subotic (rechts) und der 1. FC Union hatten Marco Reus' Dortmunder gut im Griff.

© Odd Andersen/AFP

Nach dem 3:1 gegen Borussia Dortmund: Neven Subotic entdeckt das große Herz des kleinen Teams

Der 1. FC Union überzeugt gegen den BVB mit einer mutigen Spielweise. Neven Subotic ist beseelt, Trainer Urs Fischer bleibt gewohnt kritisch.

Von David Joram

Neven Subotic trug vieles mit sich herum. Ein feines, zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht, weiße Fußballschuhe und ein BVB-Trikot in der linken Hand, ein weiteres um den Hals, dazu eine Ruhe, die nur noch sein Trainer Urs Fischer übertrifft. Die Dortmunder Trikots, eines von Mats Hummels, das andere von Marco Reus, hätte Subotic als nette Beutestücke ausweisen können. Der Innenverteidiger, der seit dieser Saison für den 1. FC Union aufläuft, hatte seinem ehemaligen Klub, der „eines der besten Teams in Europa“ habe, schließlich drei Punkte geraubt.

„Nicht viele haben gedacht, dass wir dieses Spiel gewinnen könnten“, sagte Subotic und lehnte dabei lässig an einer jener Stellwände, die den TV-Teams als Interviewboxen dienen. Er sah dabei aus wie Lucky Luke nach einer weiteren Verhaftung der vier Dalton-Brüder. Nur dass er eben von einem einmaligen Erlebnis erzählte, Unions erstem Sieg in der Fußball-Bundesliga überhaupt.

„Wir sind ein kleines Team, aber wir haben ein sehr großes Herz“, sagte Subotic, als er den 3:1-Sieg gegen jene Dortmunder begründen musste, die irgendwie immer noch seine sind; jedenfalls in den Augen der BVB-Fans. Sie applaudierten Subotic nach dem Spiel so herzlich, dass dieser eine Verbeugung hinlegte, über deren Tiefe selbst Queen Elizabeth II. gestaunt hätte. Diese Wertschätzung sei ihm wichtig gewesen, mindestens so sehr wohl wie die drei Punkte, die Subotic so überraschend nun auch nicht fand. „Der Sport hat schon so viele krasse Geschichten geschrieben, dass ein Sieg immer theoretisch möglich ist“, sagte der von allen Seiten Gefeierte.

Wie krass dieser Sport ist, bewies das Duell zwischen Aufsteiger und Vizemeister sehr eindrücklich. Da kam ein Marius Bülter angerauscht, der bis Ende Juni 2018 noch beim Viertligisten SV Rödinghausen unter Vertrag stand. Da dribbelte der sonst eher wenig geschmeidige Sebastian Andersson Dortmunds Abwehrspieler Manuel Akanji schwindelig. Sprintete Sheraldo Becker die Linie rauf und runter, rauf und runter und dazwischen einfach an Weltmeister Mats Hummels vorbei. Oder grätschte Christopher Lenz dem Künstler Jadon Sancho die Bälle vom Fuß. Es waren viele kleine Mosaiksteinchen, die ein schönes Bild ergaben. Eines, mit dem der 1. FC Union nun wirklich in der Bundesliga angekommen ist.

Am Sonntagmittag referierte der Trainer darüber – und wollte noch auf ein paar schmutzige Flecken verweisen. „In den entscheidenden Phasen haben wir das Wettkampfglück auf unserer Seite gehabt“, sagte Urs Fischer also, der gerne noch mehr Ruhe, Präzision und Geduld von seinen Spielern sehen möchte. „Da haben wir noch Luft nach oben“, urteilte er, ebenso bei den Sprintqualitäten. Und überhaupt hätten ihm die ersten 30 Minuten des Spiels nicht wirklich gefallen. „Die sehe ich ein bisschen kritischer.“

Unions schnelles Umschaltspiel fruchtet

Letztlich kam aber auch Fischer, der ewige Realist, nicht umhin, seiner Elf ein verdientes Lob auszusprechen. „127 Kilometer laufen, das musst du erst mal hinkriegen bei diesen Temperaturen“, sagte er und fand es „überragend“. Diese Hingabe lobte auch Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl. Union habe das Spiel so ernst genommen, „wie wir das erwartet haben, mit Intensität, hoher Laufbereitschaft, Aggressivität.“

Doch so aggressiv waren die Berliner gar nicht, jedenfalls laut der Statistik. Sie kamen ohne Gelbe Karte aus und gewannen nur 38 Prozent ihrer Zweikämpfe, dafür „vielleicht die entscheidenden“, wie Fischer anmerkte.

„Wir haben die Bälle erst ziemlich weit hinten in unserer Hälfte erobert, und dann war der Weg nach vorn natürlich unheimlich weit, Union konnte sich wieder ordnen. So war’s schwierig für uns durchzubrechen“, sagte Dortmunds Mittelfeldspieler Julian Weigl.

Diese Aussage belegte Subotic. Man habe versucht, so schnell wie möglich hinter den Ball zu kommen und Druck auf diesen zu kriegen. „Das ist uns fast das ganze Spiel gelungen.“ Das mutige und schnelle Umschaltspiel, das die Berliner mit einer Kompaktheit kombinierten, die ihnen gegen Leipzig noch so sehr gefehlt hatte, ermöglichte den technisch versierten BVB-Spielern wenig Raum zur freien Gestaltung. „Ich kann mich nicht an so wahnsinnig viele Torchancen in der zweiten Halbzeit erinnern“, sagte Kehl, obwohl sein Team 70 Prozent Ballbesitz hatte. Union kam lediglich auf 30, stellte aber die wesentlich effektiveren Dinge damit an. „Wichtig ist, dass wir Fortschritte machen“, resümierte Fischer trocken.

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