Sport: Nichts mehr zu sagen
Der Druck war zu groß: Gerd Niebaum tritt als Geschäftsführer von Borussia Dortmund zurück
Im Pressebereich des Westfalenstadions war der Andrang gestern ähnlich groß wie zu vergangenen Festtagen, an denen in Dortmund Heimspiele in der Champions League lockten. Dieses Mal ging es um eine spektakuläre Personalie: Gerd Niebaum tritt mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA zurück. „Ich habe mich im Hinblick auf die zur Zeit sehr emotional geführte Diskussion zu diesem Schritt entschlossen, um damit einen Beitrag zur Versachlichung der Situation zu leisten“, gab Niebaum in einer Pressemitteilung bekannt.
Im November des vergangenen Jahres hatte Niebaum schon das Präsidentenamt an Reinhard Rauball abgegeben. Rauball war gestern auch derjenige, der an die Öffentlichkeit ging. Niebaum war nicht erschienen. Mit seinem Rücktritt geht in Dortmund eine Ära sang- und klanglos zu Ende. Mit dem Namen Niebaum verbindet sich die erfolgreichste Epoche der Vereinsgeschichte: Unter Niebaums Führung gewann der Klub 1989 den DFB-Pokal, drei deutsche Meisterschaften sowie als Krönung die Champions League und den Weltpokal 1997.
Doch das strahlende Bild ist längst verblasst angesichts des rekordverdächtigen Defizits von rund hundert Millionen Euro, das die Dortmunder Doppelspitze Niebaum und Manager Michael Meier zu verantworten hat. Zuletzt war auch noch bekannt geworden, dass Niebaum und Meier im Sommer 2000, wenige Wochen vor dem Börsengang, Vereinsnamen und -logo als Sicherheit für einen Kredit über 20 Millionen Euro mit dem Kölner Versicherungskonzern Gerling hinterlegt hatten. „Damit haben Niebaum und Meier unsere Seele verschachert“, sagt Reinhard Beck, Vorsitzender der Fanabteilung des BVB, „obwohl sie uns stets zugesichert hatten, dass sie so etwas nie tun würden.“
Entsprechend aufgeheizt ist die Atmosphäre. Fanproteste gab es auch wieder beim Auswärtssieg in Hannover am vergangenen Samstag. Dort war auf einem Transparent zu lesen: „Der Tropfen zuviel im Fass, jetzt spürt ihr unseren tiefsten Hass.“ Zuletzt wurde berichtet, die Westdeutsche Landesbank (West LB) habe die Aussicht auf einen Kredit, mit dessen Hilfe der laut Rauball „überlebenswichtige“ Rückkauf des Westfalenstadions finanziert werden soll, an einen Rücktritt von Niebaum und Meier geknüpft. „Eine solche Forderung ist mir nicht bekannt“, sagt Rauball, und die West LB hat eine Anfrage des BVB bezüglich eines Kredits inzwischen dementiert.
Dennoch ist der Druck auf Niebaum am Ende so groß geworden, dass er nur noch das Feld räumen konnte. Eine Entscheidung, für die ihm Rauball Respekt bekundete: „Ich weiß, dass sie ihm sehr nahe gegangen ist.“ Während die Basis in Sachen Niebaum ihren Willen bekommen hat, bleibt Meier weiter Geschäftsführer. Rauball lehnte dessen Rücktrittsgesuch ab, es sei „erforderlich für das Gesamtkonstrukt BVB, eine handlungsfähige Geschäftsführung zu haben“. Im Gegensatz zu Niebaum sei Meier „sehr viel intensiver in die Detailarbeit eingebunden“. Konkret braucht der Krisen geschüttelte BVB die guten Kontakte des Managers zur Deutschen Fußball-Liga (DFL). In Dortmund heißt es, mit Meier sei die sowieso schon stark gefährdete Lizenz eher zu erhalten als ohne ihn.
Ganz ohne Kritik kam der verschonte Manager indes nicht davon. Beim Geschäft mit Gerling seien „die Dinge nicht so gelaufen, wie sie laufen sollen“, monierte Rauball: „Das hat Michael Meier auch eingesehen.“ Rauball selbst will die Geschäftsführung auf jeden Fall nicht übernehmen. Überhaupt hält Rauball die frei gewordene Planstelle beim Revierklub für keine erstrebenswerte: „Bei meiner Suche sortiere ich von vorne herein die Leute aus, die meinen, das sei ein hoch interessanter und schöner Job.“