Sport: Offiziell kein Team
Grit Breuer hat beim SC Potsdam einen neuen Trainer – in Wirklichkeit wird sie immer noch von Thomas Springstein betreut
Über dem Sport- und Freizeitpark in Potsdam liegt an diesem Morgen eine sonnige Ruhe. In der Leichtathletikhalle am Luftschiffhafen hat sich eine Gruppe von Sportschülern zum Entspannen auf die Laufbahn gesetzt. Um Viertel vor zehn geht die Glastür zur Halle auf – Thomas Springstein kommt mit Krücken hereingehumpelt. „Knieoperation“, sagt der Leichtathletiktrainer, „Meniskus, Kniescheibe zentriert, das ganze Programm.“ Zwölf Wochen dürfe er das Knie nicht belasten, sechs davon sind schon vorbei. Springstein humpelt weiter, die Glastür geht wieder auf, und Grit Breuer erscheint in gelber Trainingsjacke und blauer Hose.
Springstein und seine Lebensgefährtin Breuer sind auch nach Potsdam als sportliches Paar gekommen, so wie sie es beim SC Magdeburg waren. In Magdeburg hatten sie zuletzt an Rückhalt verloren. Denn Ende September hatten Beamte der Staatsanwaltschaft in Springsteins und Breuers Haus vor den Toren Magdeburgs Dopingmittel gefunden. Eine 17 Jahre alte Athletin hatte berichtet, dass ihr Springstein verbotene Substanzen gegeben habe. Springstein weist alle Vorwürfe zurück.
Vom SC Magdeburg ist Springstein daraufhin suspendiert worden. Ende des Jahres läuft sein Vertrag ohnehin aus. Also machten sich Breuer und Springstein auf die Suche nach einem neuen Verein. „Es gibt viele Leute in Magdeburg, die sich fair verhalten haben, aber auch einige, die nicht loyal waren, ohne mit uns darüber zu sprechen“, sagt Grit Breuer. Diese Leute seien mit der Situation überfordert gewesen, sagt sie, „menschlich kann man das verstehen“.
Beim SC Potsdam hat Breuer nun eine Bleibe gefunden, hier möchte sie noch einmal an ihre besten Leistungen anknüpfen, als sie Europameisterin über 400 Meter wurde und Weltmeisterin mit der 4-mal-400-Meter-Staffel. Ihr Vertrag sieht vor, dass sie zwei Jahre in Potsdam bleiben könnte. „Vielleicht laufe ich auch noch vier Jahre.“ Auf jeden Fall habe ihr neuer Hauptsponsor, ein Klinikunternehmen, ihr eine berufliche Perspektive für die Zeit nach dem Sport eröffnet.
Der Wechsel zum SC Potsdam soll ein Schritt nach vorne sein, aber er erinnert an alte Tage. Vielleicht erleben Breuer und Springstein eine ähnliche Situation wie Mitte der Neunzigerjahre. Da schlug sich Springstein in Hannover als Fitnesstrainer durch, den Hauptteil verdiente Breuer. Springstein war in Verruf geraten, weil er Anfang der Neunziger beim SC Neubrandenburg den beiden besten Athletinnen Breuer und Katrin Krabbe geraten hatte, das Steroid Clenbuterol zu nehmen. Es stand nicht auf der Dopingliste, gesperrt wurden die Athletinnen dafür wegen Medikamentenmissbrauchs.
Als Breuer 1997 zum SC Magdeburg wechselte, stellte der Klub auch Springstein an. Er schien rehabilitiert. Jetzt ist er wieder ein inoffizieller Trainer. Wegen der Ermittlungen gegen ihn erhält er keinen Vertrag, und deshalb ist nun Frank Möller Breuers Übungsleiter. Springstein wird dennoch nicht nur wie an diesem Morgen ihr Begleiter auf der einstündigen Autofahrt von Magdeburg nach Potsdam sein. „Es gibt keine sportliche Trennung“, sagt Breuer, „alle meine Erfolge verdanke ich Thomas Springstein. Das werde ich nicht mit 32 Jahren über Bord werfen. Sein Rat ist mir wichtig.“ Die Vorwürfe gegen ihren Freund und Trainer seien eine Belastung, „aber ich bin sehr optimistisch, dass sich diese Beschuldigungen auflösen“.
Wie Springsteins berufliche Zukunft aussieht, dazu will der Trainer nicht viel sagen: „Es gibt verschiedene Modelle.“ Die Dopingmittel, die bei ihm zu Hause gefunden wurden, habe er selbst verwendet, sagt er. Kann man ihm das abnehmen? Bei dieser Frage wird Breuers Blick fest. Dann sagt sie: „Warum nicht?“