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Sport: Ohne Egoismus

Hertha BSC setzt im Trainingslager auf Teamgeist

Berlin - Das Hotel Seeresidenz in Tirol empfängt heute die passenden Gäste zu seinem Wahlspruch. „Wo es täglich ein schönes Erwachen gibt“, so wirbt das Fünf-Sterne-Hotel in Walchsee, und das ist genau die richtige Verheißung für den Fußballklub Hertha BSC. Das zehntägige Trainingslager ist schließlich auch eine Art Nachsorgekur für eine missratene Saison. Ein ums andere Mal waren die Fußballspieler von Hertha BSC böse erwacht und hatten erst sehr spät erkannt, dass sie sich nicht in einem Traum befanden. Beinahe hätten sie ihre Erstklassigkeit verloren.

Nun sollen sich die Spieler von diesen Erinnerungen befreien, aber trotzdem von der bitteren Erfahrung profitieren. Manager Dieter Hoeneß formuliert das so: „Wir müssen vergessen machen, was war, ohne es zu vergessen.“ Das klingt nach einem Ziel für eine langfristige Gruppentherapie, und es verdeutlicht, das der mentale Aspekt des Trainingslagers wohl der wichtigste ist.

Denn seine Lieblingself wird Trainer Falko Götz in Tirol gar nicht zusammenstellen können, weil Herthas Nationalspieler erst am 19. Juli aus dem Urlaub von der Europameisterschaft zurückkehren, also einen Tag nach dem Ende des Trainingslagers. Es wird daher noch nichts daraus, Stürmer Fredi Bobic etwa Laufwege mit Herthas neuen Offensivspielern Yildiray Bastürk und Gilberto da Silva einstudieren zu lassen. Genauso wenig wie mit Bobic kann Götz in Walchsee mit Arne Friedrich, Josip Simunic und Niko Kovac arbeiten.

Der einzelne Spieler soll jedoch bei Hertha ohnehin nicht mehr so wichtig sein. Dafür soll mehr der Mannschaftsgeist beschworen werden. Den Egoismus hat Manager Hoeneß nämlich als Grundübel der letzten Runde ausgemacht, und er sagt: „Wer zuviel Egoismus an den Tag legt, wird das schnell zu spüren bekommen.“ Führungsspieler im klassischen Sinne brauche die Mannschaft sowieso nicht. Das sah Hoeneß zuletzt durch die Europameisterschaft in Portugal bestätigt: Es standen zwei Mannschaften im Endspiel, die im Grunde keine Führungsspieler haben. Man brauche „ein Team aus Überzeugungstätern, die sich ihrer Verantwortung stellen“, sagt Hoeneß.

Eine leitende Position muss bei den Berlinern trotzdem noch besetzt werden, die des Kapitäns. Dick van Burik möchte es nicht mehr sein. Das hält Hoeneß für einen guten Entschluss: „Er ist ein wichtiger Spieler in unserer Hierarchie, aber er ist sehr verletzungsanfällig. Er hat nicht die Robustheit, um immer zu spielen.“ Als Nachfolger fällt dem Manager nur einer ein: Nationalspieler Arne Friedrich.

Seine Aufstellung wird Trainer Götz erst nach dem Trainingslager finden, aber dennoch sind die Tage in Tirol von großer Bedeutung. Diesmal spielt Hertha nicht mehr im Liga-Pokal mit und wird deshalb die Testspiele mit größerer Sorgfalt bestreiten und auswerten. Auf dem Weg nach Österreich machen die Berliner an diesem Donnerstag beim Oberligaklub SSV Ulm Station, weitere Spiele gegen Besiktas Istanbul, Bröndby Kopenhagen und Partizan Belgrad sollen in der nächsten Woche folgen. Außerdem wird das Trainingslager eine Integrationsveranstaltung. Die neuen Spieler Bastürk, da Silva, Gerhard Tremmel und Oliver Schröder sollen gut eingebaut werden, und an ihren neuen Trainer Falko Götz müssen sich einige Spieler auch erst einmal gewöhnen.

Götz, der bei 1860 München entlassen worden war, wird die schwierigste Aufgabe in diesem Trainingslager haben: Er soll beim Verarbeiten einer Saison helfen, die er nicht in Berlin erlebt hat und notfalls böse Erinnerungen wachhalten, die er selber nicht mitbekommen hat.

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