
© AFP
Tennis: Rafael Nadal: Popstar der roten Asche
Mit seinem sechsten Sieg in Paris wird Rafael Nadal endgültig zum besten Sandspieler seiner Generation. Nadal ist erst 25 Jahre alt - er könnte noch sehr oft gewinnen.
Einer hatte gefehlt, um diesen großen Moment abzurunden. Björn Borg war am Sonntag verhindert, und so konnte der 55 Jahre alte Schwede nicht von der ersten Reihe des Court Philippe Chatrier aus zuschauen, wie Rafael Nadal seinen Rekord von sechs French-Open-Titeln egalisierte. Und Borg konnte ihm auch nicht die silberne Coupe des Mousquetaires überreichen, die er vor 30 Jahren selbst zum letzten Mal in Händen gehalten hatte. Damals konnte sich niemand vorstellen, dass noch mal ein Spieler kommen würde, der die rote Asche von Roland Garros so zu beherrschen wüsste, wie Borg es getan hatte.
Doch Nadal ist es gelungen. Und auch wenn der Mallorquiner 1981 noch nicht einmal geboren war, sagte der gerade erst 25-Jährige am Sonntag: „Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich so oft gewonnen habe, wie Borg. Das bedeutet mir sehr viel.“ Obwohl drei Jahrzehnte zwischen ihnen liegen und sich der Tennissport seither zu einer wesentlich physischeren Herausforderung gewandelt hat, so verbindet beide doch viel. Sie waren in Roland Garros jeweils nur auf einen Spieler getroffen, der sie bezwingen konnte. Dem Italiener Adriano Panatta gelang es gegen Borg zweimal, und Borgs Landsmann Robin Söderling schaffte 2009 in der vierten Runde das schier Unmögliche gegen Nadal.
Doch nicht nur in den Statistiken liegen Gemeinsamkeiten. Borg wurde zu seiner Zeit wie ein Popstar gefeiert, mit seinen langen Haaren und der kühlen Aura versetzte er eine ganze Teenager-Generation in den Ausnahmezustand. Nadal hat seine dunkle Mähne inzwischen zwar leicht gestutzt, seiner Beliebtheit schadete das jedoch keineswegs. Bei allem Rummel um seine Person ist Nadal wie Borg jedoch ein bodenständiger Mensch geblieben, der stets das Vertraute um sich braucht. So hielt Borg an einem seiner ersten Trainer, Lennart Bergelin, fest, und Nadal schwört seit seinem vierten Lebensjahr nur auf seinen Onkel Toni.
Jeder auf seine Art machte die Vorhand zu seiner besonderen Waffe, mit einer ganz eigenen Technik und viel Topspin. Kaum jemand wusste sich besser auf der rutschigen Asche zu bewegen als Borg und Nadal es vermögen oder verfügt über diese Gabe, in den wichtigen Augenblicken die negativen Gedanken auszublenden und darauf zu lauern, dass sich das Momentum wieder auf ihre Seite schlägt. Nadal hatte es am Sonntag erneut bewiesen, und er musste gegen Roger Federer hart darum kämpfen. „Es macht diesen Titel noch besonderer für mich“, sagte der Spanier, „eben weil nicht alles glatt gelaufen ist und es viele schwere Momente gab.“
Dass Novak Djokovic ihm seine Vorherrschaft zuletzt so vehement streitig machte und ihn in vier von Nadals sechs Finals in dieser Saison bezwang – darunter zweimal sogar auf Sand –, hatte den Spanier tief verunsichert. Plötzlich zweifelte Nadal, der gewöhnlich vor Selbstvertrauen nur so strotzt, und spielte zögerlich. Auch in den ersten Runden von Paris. Enorm viel stand für ihn auf dem Spiel, auch der Status der Nummer eins. „Ich habe wohl etwas Angst gehabt“, gestand Nadal, „aber Roland Garros ist das wichtigste Turnier, hier sind meine Siegchancen am größten. Gewinne ich hier, nimmt mir das den Druck für den Rest der Saison.“
So fühlte Nadal am Sonntagabend vor allem Erleichterung, als er nach dem Sieg zu Boden sank. Er konnte in Paris nicht seine allerbeste Form zeigen, doch er hatte fest an sich geglaubt, gearbeitet und zugeschlagen, als das Momentum sich ihm zuwandte. Mit Recht kann sich Nadal nun als besten Sandplatzspieler seiner Generation bezeichnen. Und es ist schwer vorstellbar, dass er nicht noch ein siebtes Mal in Roland Garros gewinnen könnte. Denn aufhören wie Borg seinerzeit wird Nadal in einem Jahr wohl noch nicht.