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Sport: Ratlos optimistisch

Die Bayern nehmen nach dem 0:1 gegen Juventus Oliver Kahn in Schutz und glauben unverdrossen an den Champions-League-Sieg

Bloß keine Zeit verlieren. Als die Bayern-Spieler eine halbe Stunde nach Abpfiff gerade in Schweiß triefender Funktionskleidung vom Auslaufen Richtung Kabine trotteten, stolzierten ihre Gegner eiligen Schrittes Richtung Stadionausgang – gehüllt in feinstes Tuch, umgeben von süßesten Düften. Nicht ein Hauch von Anstrengung war den Mitgliedern der norditalienischen Reisegruppe anzumerken, sie hatten ihren Auftrag erledigt wie kaltherzige Auftragskiller, mit geringstmöglichem Verschleiß. Ohne Gemütsregung verließen sie die Arbeitsstätte des Abends, wenig später brachte sie das Vereinsflugzeug in die Heimat.

Zurück ließen sie ziemlich ratlose Münchner, denen das zweite 0:1 gegen Juve binnen zwei Wochen einige Rätsel aufgab. „Man kann nach diesem Spiel ja nicht draufhauen auf die Mannschaft, wie wollen Sie denn das machen?“, fragte Bayerns Manager Uli Hoeneß, der in dieser Angelegenheit gewöhnlich nicht auf Ratschläge angewiesen ist. Aber diesmal gebe es für die Niederlage „keine Begründung. Wir haben über weite Strecken gegen einen hochklassigen Gegner gut mitgespielt.“ Tatsächlich war es so, dass die Bayern erneut einen durchaus ebenbürtigen Sparringspartner abgegeben hatten und den in sämtlichen Wettbewerben noch ungeschlagenen Spitzenreiter der Serie A phasenweise an den Rand einer Niederlage gedrängt hatten.

So fiel das Fazit des Abends vergleichsweise milde aus, obwohl die Bayern auch noch den Verlust von Andreas Görlitz (Kreuzbandriss) für mindestens sechs Monate verkraften mussten. Die Schützenhilfe des kommenden Gegners Tel Aviv (2:1 gegen Ajax) machte eine allzu kritische Bestandsaufnahme entbehrlich. Felix Magath aber ließ sich von den Ereignissen des Abends keineswegs den Blick auf die ursprüngliche Zielsetzung vernebeln. „Das ist noch möglich“, stellte der Bayern-Trainer fest und meinte den Gewinn der Champions League. Magath ergänzte: „Wenn man beide Spiele gegen Juventus zusammen nimmt, kann man vielleicht sogar sagen: Wir haben ein bisschen besser gespielt.“ In jedem Fall kann man sagen: Die Bayern haben ein paar Fehler mehr gemacht. Im Hinspiel hatte ein finsterer Moment Samuel Kuffours gereicht, um das Spiel zu verlieren, diesmal beantragten gleich drei Münchner Patenschaft für das Gegentor des Tages: Oliver Kahn, Torsten Frings und Owen Hargreaves.

„Ich kann ihm da keinen Vorwurf machen, es war ein unglaublich scharfer Schuss von Ibrahimovic“, sagte Hoeneß in Richtung Oliver Kahn, der jenen entscheidenden Ball in der 90. Minute vor die Füße von Alessandro del Piero hatte abprallen lassen. „Da braucht er sich keine Gedanken machen“, versicherte Hoeneß und fasste damit die offizielle vereinsinterne Deutung des erneuten Kahnschen Fauxpas‘ zusammen. Gedanken jedoch machte sich Kahn offenbar sehr wohl. Der Abpfiff war für ihn Startschuss für einen Sprint Richtung Kabine, in der er seinem Unmut in einer Weise Luft machte, die Magath „nicht als in sich gekehrt bezeichnen“ wollte. Wer Adressat seines Zorns war – er selbst oder Mitspieler –, ließ sich nur ansatzweise ermitteln.

„Uns hat er nicht beschimpft“, berichtete Torsten Frings, „warum auch?“ Dies hätte ihm Michael Ballack sagen können. „Der Stürmer steht fast mit dem Rücken zur Eckfahne, wir sind in Überzahl“, klagte er in Richtung der Kollegen Frings und Hargreaves, „und er kommt frei durch. Das darf nicht passieren.“ Magath sah es ähnlich: „Die beiden haben sich aufeinander verlassen, keiner ist richtig hingegangen.“ Gegen allzu harte Kritik an seinem Torwart verwahrte er sich mit dem Hinweis: „Jeder macht mal einen Fehler. Auch ein Torwart lässt mal einen Ball fallen.“ Kurze Pause. „Auch Jens Lehmann.“

Daniel Pontzen[München]

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